Nadine Rebel
Wein trinken, denn Wasser muss gespart werden. Die Stoppuhr, die die morgendliche Duschzeit protokolliert, läuft mit Solarenergie. Die Haare sind kurz, das spart den Friseurbesuch, den Föhn und viel Wasser. Essenstechnisch war ich schon immer sparsam in der Haltung, manchmal sehr zum eigenen Leidwesen. Eigentlich esse ich nur einmal am Tag, leider bin ich nicht so dünn, wie ich es gerne wäre. Aber das kommt bestimmt noch, die regierungsverordnete Diät bestimmter grüner Menschen mit Gebärmutter wird mir sicherlich helfen, ein paar Pfunde zu verlieren. Dass auf Seiten der Regierung gerade die, die derartiges anmahnen nicht nach Verzicht aussehen, dass diejenigen, die denen, die sowieso schon jeden Cent 2-mal umdrehen, raten, sparsamer zu sein, während sie im klimatisierten Bundestag sitzen und monatlich ihr hohes und sicheres Einkommen haben, das ist eine reine Nebensächlichkeit, mit der man sich nicht aufhalten darf.
So meine Aussage vor ein paar Tagen, als wir uns gemeinsam – meine lieben Teilnehmerinnen und ich – überlegten, wie es im frostigen Winter weitergehen kann. Gerade für die psychische Gesundheit ist mein Sport, das Tanzen, die Auszeit vom Alltag notwendig.
Wobei ich mir natürlich schon auch überlegen könnte, durchzudrehen, dann käme ich vielleicht in eine Psychiatrie, die ist bestimmt geheizt – oder vielleicht auch nicht?
Gerüchte lassen vermuten, dass der Gaspreis um das Sechsfache steigen wird. Die Strompreiserhöhung unseres Anbieters (Stadtwerke) haben wir schon schriftlich vorliegen. 56% Preiserhöhung. Die Krankenkassenbeiträge steigen, die Lebensmittel werden teurer und währenddessen gleichen die Regierenden die eigenen Verluste damit aus, dass sie sich ihre Diäten erhöhen, die Renovierung des Bundestags beschließen, Geld verschenken und ihrem Hobby der Angstmacherei und Kriegstreiberei frönen.
Man muss auch das trainieren, was man nicht mag. Gerade das, was einem im Training nicht so viel Spaß macht, muss man wiederholen. Immer beide Seiten trainieren. Sich zurückhalten, wenn einem die Beleidigungen auf der Zunge liegen würden. Anstand. Contenance. Höflichkeit. Etwas abgeben. Teilen. Verzichten. Sparen. Nicht gierig werden. Ehrlich sein.
Zugegeben: Das ist nicht leicht und mitunter ganz schön anstrengend. Doch mein Gewissen mahnt mich jeden Tag, ein wenig mehr der Mensch zu bleiben oder zu werden, den ich als gut und ehrenwert erachte.
Das kostet Nerven. Das erfordert Moral. Das trainiert den Anstand.
Mitunter fragt man sich, wozu, wenn doch außenherum alles den Bach herunterzugehen scheint. Am besten wäre es doch, sich hoch zu verschulden, bei der galoppierenden Inflation sind morgen die Schulden auch nichts mehr wert.
Das Dumme daran ist, dass man ein echtes Gewissen nicht abstellen kann. Die Überlegungen mögen sogar nachvollziehbar sein, aber das potenziell beschriebene Verhalten wird mich nicht glücklich machen. Und ein lebendiges Gewissen macht leider nie Pause.
Also versuche ich weiterhin, mein Unmöglichstes zu tun. Mir Lösungen für den Winter zu überlegen, noch mehr zu sparen, auf noch mehr zu verzichten. Dabei schlafe ich mit der Kriegsangst ein und wache mit Zukunftssorgen auf.
Willkommen im besten Deutschland aller Zeiten!