Nadine Rebel
Die Revue ist eine Kunstform. Sie verbindet Gesang, Tanz und Dialoge zu einer Einheit. Am Ende eines Jahres lässt man dasselbe revuepassieren. Ja, es wurde gesungen (meist in der Kirche und hier geht meine Stimme – Gott sei Dank! – unter), getanzt und es wurden Dialoge geführt. Eine Revue, die den Akteur und das Publikum mit Freude erfüllt, war es nicht.
Rein faktisch betrachtet ist ein Jahr eine durch den Kalender vorgegebene abgeschlossene Einheit. Dieses Jahr ist das Ende des Jahres mit einer großen inständigen Hoffnung verbunden, dass das nächste Jahr besser wird.
Psychische Schwindsucht
Dieses Jahr war geprägt vom Gefühl des Verschwindens. Soziales Leben? Fehlanzeige.
Das tun können, was ich gelernt und studiert habe? Fehlanzeige.
Ein Aufwärtstrend der Mut macht? Fehlanzeige.
Konsequenzen tragen
Ich liebe mein Studio und die Sportarten, die dort angeboten werden. Pole Dance gehört untrennbar dazu. Leider führt die Ausübung dieser Sportart dazu, dass damit der Bereich der Schulungen, der Beratung und der Seminare getötet wurde.
„Wir haben uns umfassend über sie informiert, wünschen Ihnen weiterhin alles Gute und teilen Ihnen mit, dass ein Einsatz für uns nicht in Frage kommt.“ – Wunderbar unverfänglich, nichts, was man Greifen kann und dennoch deutlich.
Neben meiner Tätigkeit als Trainerin für Pole Dance könnte es auch meine kritische Positionierung sein, die ich mit der C-Zeit eingenommen habe, die zu vielen Fragen führte, die ich in zahlreichen offenen Briefen und Blogbeiträgen gestellt habe. Diese Haltung hat während der Pandemie-Zeit schon zu Anfeindungen, Bedrohungen, Drohanrufen und Angriffen geführt (unter anderem ein Einbruchsversuch im Studio) und mich in die – vermeintlich selbstgewählte – Ecke der „Querdeppen“ gestellt. Natürlich will mit Querdeppen niemand etwas zu tun haben.
Dass die Fragen unbeantwortet blieben, dass ich auch hier keinerlei Feedback bekam und dass meine Blogbeiträge gerne veröffentlicht wurden, solange ich diese hergeschenkt habe, versteht sich dabei von selbst.
Die Veröffentlichung der Beiträge auf verschiedenen Plattformen hat die Plattformbetreiber allerdings nicht davon abgehalten, am Ende jedes Artikels um Spenden für die Seite zu bitten. Ob Spenden kommen und in welcher Höhe, kann ich natürlich nicht sagen, dass diejenigen, die mit Beiträgen die Seiten überhaupt erst ermöglichen, allerdings keinen Cent bekommen, das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Dankbar undankbar
Und für derartige Rückmeldung muss ich dankbar sein, denn in den allermeisten Fällen wird man schlichtweg ignoriert. Kommunikation wird verweigert. Man ist schlicht nicht existent.
Diese egozentrische Sichtweise, die sich wie ein Parasit einnistet, birgt die Gefahr, die wirklich wichtigen Dinge in den Hintergrund zu schubsen: Wir sind gesund geblieben, wir haben jeden Tag die Kraftreserven zusammengekratzt und jeden Tag überstanden. 365-mal.
Wir haben zu essen und ein Dach über dem Kopf, Trinkwasser, wenn man den Hahn aufmacht und Kleidung. Das ist mehr als viele andere Menschen haben. Man muss, man darf, man sollte dankbar dafür sein. Das stimmt. Bin ich auch. Schlimmer geht’s immer, nur ob ich dann noch mitgehen könnte, weiß ich am Ende dieses Jahres nicht.
Es reicht nicht
Das Jahr hat mir gezeigt, dass egal, was ich tue, es nicht ausreichend ist. Verlässlichkeit, gute Ausbildung, Loyalität, Ehrlichkeit, Fairness, gute Leistung, Kompetenz, Service, Fleiß, Tatkraft, unermüdliches Weitermachen. Reicht nicht.
Die Bilanz am Ende ist ernüchternd. (Hoffentlich ist genug Alkohol vorhanden).
Ich bin müde.
Plattitüden
„Du musst an dich glauben, dann wird alles gut.“ – „Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.“ – „Vertrau Dir, der Rest kommt von allein.“ – „Du wirst eben gerade woanders gebraucht.“ – „Es kommen auch wieder bessere Zeiten.“
Lieb gemeint und in vielen Dingen bestimmt auch richtig. Doch was nutzt es dem Verdurstenden, wenn er weiß, dass in 3 Monaten auch bessere Zeiten kommen, wenn er jetzt am Verdursten ist?
Geschenkt
Was könnte ich noch anbieten? Diese Frage begleitete mich das ganze Jahr auf der Suche nach alternativen Einsatzmöglichkeiten. Zuhören, Seelsorge, Coaching, pädagogische Unterstützung, Freizeitgestaltung für ältere Menschen, betriebliches Gesundheitsmanagement, Texte und Beiträge, Tutorials, und vieles mehr.
Oh ja gerne. Ehrenamtlich.
Geschenkt würde man die Leistungen schon nehmen, jeder Preis, den man dafür zahlen müsste, ist zu hoch, dann werden die Leistungen als verzichtbar erachtet.
So bleibt mir als Jahresrückblick, zu sagen, dass es ein beschissenes Jahr war, geprägt von den Erfahrungen, dass das, was ich bin und was ich leiste, nicht gebraucht, nicht gewollt oder nicht ausreichend ist.
Absage erteilt
Hinzu kamen die Vorgehensweisen einiger Mitmenschen, die ich nicht nachvollziehen kann. Da waren die Personen, die mutwillig oder unabsichtlich mit den Geduldsfäden Bungee-Jumping betreiben, ohne Skrupel über die Zeit anderer bestimmen, die Menschen, die verbindlich Leistungen buchen, nur um diese dann (doch) nicht in Anspruch zu nehmen. Meint man, als Unternehmerin auf der „sicheren“ Seite zu sein (verbindliche Buchung, AGB etc.), wird man schnell mittels Beleidigungen und Androhungen schlechter Bewertungen eines Besseren belehrt.
Die Indizien sprechen in einigen Bereichen dafür, dass es mit Kalkül veranstaltet wurde.
Ich kann es weder greifen noch begreifen. Handfest, ehrenwert, verlässlich ist nichts. Und was mich das Jahr gelehrt hat: Niemand hat ein Problem damit, nur ich.
Und wenn es mein Problem ist, dann darf ich es auch behalten.
Spielball der Verantwortungsverschiebung
Handfest hingegen waren die Teuerungen in allen Bereichen, die man auch noch zu stemmen versucht. Exemplarisch soll hier nur die Verdreifachung der Heizkosten für das Studio genannt werden.
Während diejenigen, die diese Dinge beschließen, die schmerzhaften Auswirkungen in den seltensten Fällen selbst zu spüren bekommen, lassen einen die Sorgen nicht mehr schlafen und Aufgeben scheint eine willkommene Fluchttür zu werden.
Lektionen:
1) Nimm‘ dich selbst nicht so wichtig, Du bist es nicht.
2) Du kannst nichts ausrichten, bist macht- und hilflos und ohnmächtig.
Verstanden. Danke.
Gute Besserung
Wenn ich die Worte, die ich 2024 am häufigsten gebraucht habe, aufschreibe, dann sind es diese! Kaum jemand, der nicht immer und immer wieder durch verschiedenste Krankheiten, Infekte und schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen gebeutelt wurde. Das haben wir im Studio zu spüren bekommen. Im Studio führt es dazu, dass die Einnahmen schwinden, im privaten Umfeld versucht man mit seiner Gesundheit die gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Familie und Freunden aufzufangen.
Wenn es anderen schlecht geht, ist man für sie da. Selbstverständlich.
Die Augen zu verschließen oder sich mit einem „Das kann ich nicht.“ – oder „Dafür habe ich keine Zeit.“ – aus der Affäre zu ziehen, kam nicht in Frage und kommt nicht in Frage.
Was tun?
Etwas tun, trotzdem oder gerade deswegen, war demnach 2024 auch der einzige Ausweg, der blieb. Wenn die Gesellschaft einen nicht braucht, dann bleibt nur noch das häusliche Umfeld. Teils als Ablenkungsmanöver, teils als Ventil, teils als Manöver, ohne Mittel sichtbare Ergebnisse zu schaffen, wenn man sich mehr und mehr als unsichtbar erachtet, habe ich alles gemacht, was ich machen konnte oder noch nie gemacht hatte: Fliesen legen, Fassaden streichen, Möbel überarbeiten und vieles mehr.
Auch diese Umtriebigkeit stieß nicht immer auf Gegenliebe und Verständnis.
Anker und Fels in der Brandung
Die schwindenden psychischen und physischen Kraftressourcen konnten allein und einzig (was das Berufliche betrifft) im Studio wieder aufgefüllt werden. Jeden Tag so viel, dass der nächste Tag durchzustehen war.
Die Rückmeldungen derer, denen es wirklich gefällt, waren Balsam auf den Wunden der Seele, habe das Ausbluten gestoppt.
Und auch wenn ich für das Ausleben meiner sportlichen Leidenschaften einen hohen Preis bezahle, da man mich in allen anderen Bereichen als inkompetent und ungeeignet betrachtet, werde ich diesen Bereich nicht aufgeben, solange ich kann.
Unter jedem Dach ein Ach
Die Lektion, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, scheine ich dennoch nicht ganz verinnerlicht zu haben, sonst würde ich nicht alles aufschreiben.
Zu meinen, anderen würde es besser gehen, nur weil diese ihr Weh‘ und Ach nicht zu Papier bringen, ist Frevel.
Wollen wir alle irgendwie durchhalten, wie genau, kann ich nicht sagen.