Rebel-Management-Training denkt nach!

Nadine Rebel

Mut zur Miss

Herzlichen Glückwunsch an die frisch gewählte Miss Germany und ein aufrichtiges herzliches Beileid gleichermaßen. Die Dame wurde im Rahmen der Veranstaltung zur schönsten Frau Deutschlands gewählt. Und jetzt wird sie mit Hass und Hetze überzogen.

Man muss den Mut haben, sich von einer Jury in Bezug auf die Schönheit bewerten zu lassen. Jetzt muss man auch noch den Mut haben, sich aufgrund des Ergebnisses beschimpfen zu lassen.


Wer hat das Recht?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wer das Recht hat, etwas so Subjektives wie Schönheit zu bewerten. Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Es gibt wohl ein paar oberflächliche Kategorien, die Schönheit definieren. Aber wir alle wissen, dass diese wahre Schönheit nicht erfassen können. Jedes Elternteil empfindet sein Kind als das Schönste, jeder Mensch seinen Partner (m, w, d) als den Schönsten. Das ist gut so. Diese subjektive Einschätzung ist keine Bewertung mehr, sondern eine Wertschätzung. Jeder weiß, wie einzigartig, wie wertvoll, wie unersetzlich sein Kind, sein Partner ist. Und in dieser Einzigartigkeit, in dieser Unersetzlichkeit liegt die Schönheit, die der liebende Mensch sieht und die für ihn wahr ist.

Da können tausend Andere anderer Meinung sein.

 

Bevor man sich also über ein Ergebnis streitet, was Geschmackssache und somit unstrittig ist, könnte man Formate, die die Schönheit von Menschen bewerten, kritisch betrachten.

 

Überholter Miss-Begriff

Auch die kluge Miss Marple war eine Miss. Miss als Zeichen, dass sie unverheiratet war. Nicht mehr und nicht weniger.

Kann man in einer Zeit, in der es unter Strafe gestellt wird, von 2 biologischen Geschlechtern zu sprechen, den Begriff „Miss“ überhaupt noch verwenden?

Stellt nicht die Verwendung bereits eine immanente Abwertung aller anderen Lebensformen dar? Was bedeutet „Miss“ überhaupt und warum hat man den Namen nicht geändert, denn das Konzept ist bei weitem nicht so überholt wie es der Name der Veranstaltung vermuten lässt.

 

Heute geht es nicht mehr darum, die schönste unverheiratete Frau mit einem Wert zu versehen und somit ein Ideal zu kreieren, dem man hinterhereifern muss. Heute geht es vielmehr um einen Blick hinter die Fassade der Äußerlichkeiten. Ich finde, das sollte sich im Namen zeigen, denn man erwartet es nicht.

 

Es geht nicht nur um Äußerlichkeiten, es geht um eine Mission, wie der Veranstalter selbst schreibt:

 

„Wir suchen Frauen, die Verantwortung übernehmen und als Vorbild fungieren und damit eine weltoffene und moderne Gesellschaft prägen. Wir glauben an das Potenzial, das in dir steckt – deshalb nutze jetzt die Chance und bewirb dich für die neue MISS GERMANY AWARDS Staffel 2023/24. Du willst mit anderen tollen Frauen auf der Bühne stehen und die Chance auf den MISS GERMANY AWARD haben?

Dann bewirb dich jetzt!

#BePartOfTheMovement“

 

Ich war überrascht. Auch in meinem Kopf hatte sich die Vorstellung eingebrannt, dass es hier eher um Oberflächlichkeiten, Maße, die ideale Körbchengröße, eine schlanke Taille, Faltenlosigkeit und Verfügbarkeit (weil unverheiratet) gehen würde. Zumindest war es das, was ich mit Formaten wie Misswahlen oder GNTM bisher verbunden hatte.

 

Das Leben dahinter

Verantwortung und Weltoffenheit wird einem heute also durch einen Miss-Titel zugeschrieben. Bisher hätte ich eher irgendwelche Verdienstauszeichnungen, Ehrenwürden, Medaillen oder Honorationen damit verbunden.

 

Nun gut, wieder was gelernt. Im letzten Buch „the forbidden notebook“, welches ich gehört habe sagte einer der Protagonisten, dass die Menschen, die anerkennen, dass die Welt heute eine andere sei als die, in die sie gestern hineingewachsen wären und für die sie sozialisiert worden seien, lebendig bleiben würden und dass die, die das nicht sehen wollen würden, im Grunde schon tot wären.

 

Ich kann persönlich nicht alles gut finden, was gerade läuft und die Liste der Dinge, die ich nicht anerkennen will, weil sie meinem moralischen Kompass entgegenlaufen, ist lang.

Doch ich sehe auch die Veränderungen, die Mut machen.

 

Dass heute nicht mehr nur äußerliche Schönheit, sondern das Leben dahinter eine Rolle spielt, gehört für mich dazu.

 

Was ich sehe

Ich sehe eine Frau (das darf ich sagen, oder? Also immerhin schreibt der Veranstalter auch „Frauen“), die lacht, die keine 20 mehr ist, die strahlt. Ich sehe Ecken und Kanten, die kleinen Abzeichen, die das Leben selbst verliehen hat. Ich sehe Unverwechselbarkeiten. Ich sehe eine schöne Frau.

Insofern: Herzlichen Glückwunsch!

 

Ob Apameh Schönauer die schönste Frau Deutschlands ist, ist für mich nicht wichtig. Sie hat sich einer Jury gestellt, die Jury hat gewertet. Das Ergebnis wird der Öffentlichkeit präsentiert.

Es ist mir auch egal, ob die Dame schon im Vorfeld Kontakt zur Jury hatte und welche sonstigen vermuteten Mauscheleien es gegeben haben mag.

 

Das hat mich noch nie interessiert, so wie mich bisher - das gebe ich zu - auch Misswahlen noch nie interessiert haben.

GNTM habe ich manchmal angesehen, wie auch andere Formate, deren Hochwertigkeit man bezweifeln kann. Gesellschaftlich anerkannte Form von Feierabend-Lästereien gepaart mit Voyeurismus. Nicht schön, aber existent.

 

Hass sagt mehr über den Sender als über den Empfänger aus

Erschreckt und schockiert hat mich nicht das Ergebnis. Entsetzt war ich nur über den Hass und die Häme im Nachgang der Veranstaltung.

 

Beleidigungen, Niederträchtigkeiten und Geschmacklosigkeiten am laufenden Band.

Vielleicht sollte man daraus das nächste TV-Format generieren.

Miss und Mister Hass.

 

Es haben sich viele zur Verfügung gestellt und wirklich beeindruckende Leistungen dargeboten.

 

Und je öfter ich diese Beschimpfungen las, umso mehr wuchs meine Sympathie mit der Gewinnerin.

Ich denke zwar, dass sie diese Ausmaße der Reaktionen nicht erwartet hätte, doch wenn man davon ausgeht, dass im Format der Miss-Wahlen heute auch Mut und Courage, Selbstvertrauen und Souveränität ausgezeichnet werden, dann hat sie den Titel wohl nach den Reaktionen umso mehr verdient.

 

Die Würde

Die Würde eines Menschen bemisst sich darin, inwieweit er in der Lage ist, anderen Menschen mit Würde zu begegnen. Dieser Satz ist nicht von mir. Leider. Wer ihn gesagt hat, weiß ich nicht. 
 

Viele derer, die mit dem Begriff „Würde“ wie mit Ramschware im Schlussverkauf umgehen, zeigen, dass sie nicht in der Lage sind, anderen Menschen Würde entgegenzubringen.

 

Sie tasten die Würde anderer Menschen nicht nur an, sie befingern sie, die beschmutzen sie, sie bespucken sie.

Würde man mit ihnen selbst so umgehen, oder vermuten sie hinter dem Verhalten anderer nur die Möglichkeit eines Angriffs auf ihre zweifelhafte Würde, ist der Aufschrei groß.

 

Würde sollte für alle gleich sein. Für alle.

 

Respekt

Ein würdevoller Umgang setzt Respekt voraus. Ein würdevoller Umgang setzt manchmal auch voraus, dass man seine Klappe hält.

Es darf gerne jede Person der Meinung sein, dass die Dame für ihn, sie oder es eben NICHT die schönste Frau Deutschlands wäre - aus welchen Gründen auch immer, aber muss man, weil man mit der Entscheidung einer Jury nicht einverstanden ist, sich auf die Gewinnerin stürzen und diese so behandeln?

 

Meinen Respekt haben die Personen, die sich so verhalten, nicht. Warum?

Weil ich es nicht schön finde und Schönheit das Leben strahlender macht.

Weil Schönheit für mich auch Freude und Zuneigung bedeutet und von Hass und Hetze, von Ungerechtigkeit und Boshaftigkeit zerfressen wird.

 

Man kann über das Format, man kann über die Entscheidung der Jury, man kann über die Bewertung und vieles mehr geteilter Meinung sein. Das sollte eine souveräne Person nicht dazu veranlassen, sich in einer solch niederträchtigen Art und Weise zu benehmen.

 

Auch Benehmen kann zur Schönheit einer Person beitragen.

 

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