Rebel-Management-Training denkt nach!

Nadine Rebel

Die Guten sieht man nicht

Gewitter, Blitze

Muss nur noch kurz die Welt retten! Die Hybris von uns Menschen ist unvergleichlich. Ich glaube nicht, dass wir für das Universum wirklich wichtig sind, dennoch spielen wir uns so auf. Pfleglich mit dem umzugehen, was wir nutzen und benutzen dürfen, ist eine Frage des Anstands; Zu meinen, man könne durch das eigene Handeln das Universum zum Umdenken bewegen, halte ich für überheblich. Jedes Gewitter zeigt mir das.

 

Die Grenzen der Technik

Seit den Lockdowns finden in unserem Studio alle Kurse auch online statt. Grundvoraussetzung hierfür ist eine stabile Internetverbindung. Jedes Gewitter zeigt mir, wie schnell die Grenzen der menschlichen Einflussnahme erreicht sein können.

 

Wir feiern die technischen Errungenschaften, wir sonnen uns im Glanz der Multimedialität, wir verbuchen Fortschritte auf dem Konto unserer Genialität.

Ein Blitzschlag zeigt uns, wie unwichtig wir, der Kurs, die Internetverbindung und die vermeintlichen stabilen technischen Errungenschaften sind. Wenn der Donner höherer Mächte grollt, kann die Verbindung auf Erden ganz schnell beendet sein.

 

Da hilft kein Herunterfahren des Systems, da hilft auch kein Lamentieren. Es ist dem Gewitter schlicht egal, was der kleine Mensch da unten gerade will und benötigt .

 

Demut oder Ohnmacht

Nun könnte man diese Erkenntnis zum einen dafür nutzen, demütig zu sein. Zum anderen könnte sie zur Ausrede werden, da die Ohnmacht allgegenwärtig ist und einem ständig vor Augen geführt wird.

Was soll ich schon tun? Es ändert sich sowieso nichts. Wir können nichts für oder gegen das Klima, wir werden es nicht schaffen, Neid, Gier, Habsucht, Grausamkeit, Tod, Mord und Folter aus der Welt zu schaffen, wozu also anfangen?

 

Wozu noch Werte und Freundlichkeit

Und wenn man sich oberflächlich umsieht, dann scheinen Zurückhaltung, Wahrheit, Respekt und Anstand Güter zu sein, die moralisch zwar ganz nett sein mögen, einen aber in diesem Leben nicht voranbringen.

 

Wer leise ist, denn hört man nicht, weil ständig der Lärm der brüllenden Fordernden die leisen Stimmen übertönt.

 

Doch auch leise Stimmen brauchen Kraft. Kraft, die verwendet wird, um dann zu erkennen, dass sich nichts ändert. Also kann man sich diesen Kraftaufwand sparen, oder man lernt zu schreien, möglichst noch lauter als der Rest.

 

Wer schreit, hat Unrecht

Mag sein, aber so wird man wenigstens gehört. Und es gibt zahlreiche Situationen, in denen ich selbst gerne schreien würde. Vor Wut, vor Zorn, vor Entrüstung, vor Ohnmacht, vor Trauer, voll von gefühlter Unzulänglichkeit und weil das Leise sein zu keinem Erfolg führt.

Nur: Schreien allein bringt nichts! Die Laustärke ist noch kein Garant dafür, dass man seinen Willen bekommt.

Früher trotziges Kleinkind, heute bemitleidenswerter Erwachsener. Laut halt, aber ansonsten zu vernachlässigen.

 

Die Guten sieht man nicht

Vor einigen Tagen kamen wieder viele Kleinigkeiten zusammen. Das „An sich halten“ wurde schwerer und zu gerne hätte ich in diesen Momenten eine Attitüde an den Tag gelegt, die man am besten als eine Mischung aus Dr. House (aus der gleichnamigen Serie), Klaus Kinski und William Foster (der Protagonist aus dem Film „Falling down“ mit Michael Douglas) beschreiben könnte.

 

Sich nicht zurückhalten. Einfach mal wüten, schreien, um sich schlagen oder einfach nur gnadenlos ehrlich sein. Ohne Empathie. Ohne Höflichkeit.

Wie Du mir, so ich dir. Wer austeilt, muss einstecken. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Du wolltest es doch so. Ich habe mich nun lange genug zurückgehalten.

 

Dann würde man den Zeitfressern ins Gesicht sagen, dass man keine Lust auf sie hat und sie sich schleichen können.

 

Dann würde man der beleidigenen Person in der Straßenbahn so entgegentreten, dass diese niemanden mehr beleidigt.

 

Dann würde man den Handwerkern, die das Dach reinigen, ohne auch nur eine Absperrung aufzustellen, so dass man im Regen des herabfallenden Drecks steht, einfach die Leiter wegziehen.

 

Dann würde man den Halbwüchsigen, die die Treppe als Abfalleimer nutzen, mit den Fahrrädern den Eingang versperren und auf die Bitte, dies zu unterlassen mit Beleidigungen reagieren, einfach mal eine Ohrfeige verpassen.

 

Dann würde man den Personen, die ihre Speisekarte an die Schaufenster schmieren, ihnen diese Speisekarte ins Gesicht schmieren.

 

Dann würde man nicht mehr schweigen, wenn Kulanz mehr aus ausgenutzt wird.

 

Dann würde man nicht mehr mit dem Ausdruck des Bedauerns den Personen zuhören, die gerade darüber jammern, dass dieses Jahr der Börsengewinn zu gering ausgefallen ist.

 

Dann würde man nicht um des lieben Friedens willen nachgeben, weil man sich damit zum Verlierer macht. Dann würde man. . .

 

Würde ich nicht.

Ich glaube nicht, dass mir ein solches Verhalten Genugtuung, Ruhe oder Zufriedenheit verschaffen könnte. Und wenn doch? Zu welchem Menschen würde ich mich dann entwickeln? Könnte es dann eine Droge sein? Eine Droge, der man sich hingibt, nur, um sich selbst aufzugeben, nur, um einen Rausch zu haben, der nur ein sehr zweifelhaftes Vergnügen darstellt, nur, um in egoistischer Weise dazu beizutragen, dass die Welt noch ein wenig schlechter wird?

 

Wäre es das wert? Schließlich endet es auch für Foster aus Falling down nicht gut.

Ein Tag an dem er ausrastet. Am Ende des Tages stirbt er.

 

Und als ich mich über all die Kleinigkeiten, die in unfairer Weise an meinen zum Zerreißen gespannten Geduldsfäden ziehen, beschwerte, meinte meine Gesprächspartnerin: Die Guten sieht man nicht.

 

Die Übergriffigen, die Ungehobelten, die Gierigen, die Machtgeilen, die Unverschämten, die Lauten, die Ekelhaften, die Verabscheuungswürdigen, die Unhöflichen, die Manipulativen, die Reichen, die Mächtigen, die Lauten - die sieht und hört man.


Die Leisen, die Guten, die Feinen, die Zurückhaltenden, die kleinen Lichter, die Hilfsbereiten, die Verantwortungsvollen, die Geduldigen. Man sieht sie nicht.

 

Manchmal ist es die Seele, die müde ist

Und dann fühlt man sich ausgelaugt und müde und es ist nicht der Körper, der müde wird, sondern der Kopf und die Seele.

 

Wer schreit hat Unrecht. Es ist wichtig, lautstark auf etwas aufmerksam zu machen, was falsch läuft. Es heißt aber nicht, dass diejenigen, die leise anmahnen, was zu verändern wäre, nicht auch Recht haben.

 

Um die Meinung der Leisen zu hören, dürfen die Leisen nicht schweigen, dürfen die Guten nicht zu zurückhaltend sein oder bleiben und müssen die Lauten auch mal bereit sein, für eine gewisse Zeit ihren Mund zu halten.

 

Es wäre doch schade, wenn die schweigende Mehrheit gut wäre und man sie einfach nicht hört.

Es wäre doch schade, wenn man mit den Wölfen heult, nur lauter.

 

Schuhmann-Frequenz

Und dann wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass selbst der Herzschlag der Erde im Moment wohl Extrasystolen und Rhythmusstörungen aufweisen würde.

 

Es stand die Frage im Raum, ob es die Menschheit wäre, die den Herzschlag der Erde beeinflusst oder umgekehrt.

 

Wenn überhaupt, dann wirkt sich der Herzschlag der Erde auf die Menschheit aus.

Zu glauben, dass wir unvollkommenen aber dennoch vollkommen überheblichen Wesen Einfluss auf den Herzschlag der Erde haben könnten, wäre ein weiterer Akt menschlicher Hybris.

 

Der Glaube an Moral

Doch selbst wenn man keinen Einfluss hat, kann man sich rücksichtsvoll verhalten. Selbst wenn man das Klima nicht retten kann, muss man nicht umweltverschmutzend leben.

Selbst wenn man die Ungerechtigkeiten der Welt nicht hinwegfegen kann, muss man sich nicht selbst unfair verhalten.

Und wenn es von dem gekrönt wird, was wir Menschen gemeinhin als „Erfolg“ identifizieren, so bringt es doch die Ruhe in sich. Dann muss man nicht schreien.

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