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Nadine Rebel

Solidarität als stilles Druckmittel. Wie verhält man sich richtig?

Solidarität als stilles Druckmittel

Es tut mir in der Seele weh, wenn ich an die Menschen denke, die ihre Heimat verlassen müssen und in ein fremdes Land und eine ungewisse Zukunft fliehen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das niemand freiwillig und gerne auf sich nimmt, sondern dass dies den letzten Ausweg darstellt. Auch glaube ich, dass man zusammenrücken und zusammenhalten muss, wenn es die eigenen Möglichkeiten zulassen. Und hier liegt der Hund begraben: „..wenn es die eigenen Möglichkeiten zulassen.“

Unser Unternehmen wird nun schon seit 2 Jahren stark strapaziert, ich weiß nicht, wie ich im Winter die steigenden Heizkosten zahlen kann. Und während mich diese Sorgen plagen, erreichen mich vermehrt Anfragen, die die Solidarität weiter- bis überstrapazieren.

Ich fühle ich mich nicht nur ohnmächtig, sondern ich werde innerlich auch etwas ungehalten.

 

Aber ich komme aus der Ukraine

Zum wiederholten Male hatte ich Anfragen von Personen, die am Angebot unseres Sportstudios interessiert waren. Wie jede andere Person auch, erhielten auch diese Personen die benötigten Informationen: Kurszeiten, Kosten, Anmeldeformalitäten und Ähnliches.

Leider wollte sich keine der Personen auf das normale Procedere einlassen. Entweder passten die Zeiten der Kurse nicht und es wurde – meist in gebrochenem Englisch – der Wunsch geäußert, andere Zeiten haben zu wollen, oder man wollte mir weder den Namen verraten noch ein Anmeldeformular ausfüllen und schon gar nicht den üblichen Preis zahlen.

Wenn ich erklärte, warum das notwendig wäre (Haftungsausschluss, Bürokratie etc.) wurde ich immer mit dem gleichen Argument konfrontiert: „But I am a refugee from Ukraine.“

 

Ich gebe gerne

Wer mich kennt, weiß, dass ich eine schlechte Unternehmerin bin. Zumindest, wenn es um Gewinnmaximierung geht. Ich erinnere Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen an die bald endende Early-Bird-Frist, damit sie in den Genuss der günstigeren Kursgebühr kommen, ich weise auf Lösungsmöglichkeiten hin, die kostensparend sind, ich erlasse das ein oder andere aus Kulanz. Zudem arbeiten wir seit jeher ohne Vertragsbindung.

 

Die letzten zwei Jahre

Die letzten zwei Jahre haben uns unternehmerisch und psychisch Einiges abverlangt. Lockdowns und die Pflicht, gesunde Menschen von unserem Angebot ausschließen zu müssen, teils wenig nachvollziehbare Maßnahmen und Regeln, die auf dem Rücken der kleinen und mittelständischen Unternehmen ausgetragen wurden, Hilfen, die keine waren, dazu noch teils persönliche Anfeindungen.

Aber es gab auch echte Hilfe, gelebte Solidarität, Zuspruch und ein Miteinander. Das haben wir nicht zuletzt unseren Kunden und Kundinnen zu verdanken.

Nur so habe ich an vielen Tagen die Kraft aufbringen können, weiterzumachen.

 

Die nächsten zwei Jahre

Wenn ich an die nächsten zwei Jahre denke, wird mir himmelangst.

Ich weiß nicht, wie ich im nächsten Winter das Studio heizen soll, wenn ich es denn noch heizen darf. Vielleicht sieht man ja Sportstudios (mal wieder) als nicht systemrelevant an und man stellt ihnen einfach das Gas ab? Vielleicht werden Sportstudios wieder geschlossen, wegen der Affenpocken?

Wie bereitet man sich vor? Wir sparen, wo es geht. Meine Duschzeit beträgt 4 Minuten gesamt, wobei in der Einseifzeit das Wasser natürlich abgestellt wird. Rein rechnerisch bin ich also bei ca. 2 Minuten, wobei ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich warmes Wasser verwende. Alles, was noch in irgendeiner Weise verwendet werden kann, wird wiederverwertet. Upcycling. Urlaub hatten wir die letzten 18 Jahre nicht und das wird wohl bis auf Weiteres auch so bleiben.

Wir bereiten uns darauf vor, im Winter nur noch einen eihzigen Raum im ganzen Haus zu heizen, mit einem Holzofen, der dann auch unseren Küchenofen darstellen wird.

Sollte ich das Studio nicht mehr beheizen können, so werde ich die Stunden ausschließlich online von zu Hause aus geben müssen. Dafür wurde das Zimmer hergerichtet, welches sich am Kamin befindet, damit ich beim Sporteln nicht erfriere. Dort kann ich zu Not auch meinen Rechner hineinstellen, damit mir nicht die Finger abfrieren, wenn ich die Büroarbeit erledigen muss.

 

Vorwürfe

In dieser Situation denke ich, dass es nachvollziehbar ist, dass ich meine Dienstleistung nicht verschenken möchte, auch wenn ich volles Verständnis für die traumatischen Erlebnisse der Kriegsflüchtlinge (m, w, d) habe.

Dennoch hat man sofort ein schlechtes Gewissen, wenn man sich hier (mal wieder) unsolidarisch zeigt und die Flüchtlinge (m, w, d) nicht mit offenen Armen im Studio empfängt und natürlich auf jegliche Zahlungen verzichtet.

 

Oftmals stellt allerdings auch einfach die Sprache das Problem dar. Beim Unterrichten von Akrobatik ist es wichtig, dass die teilnehmende Person genau versteht, was sie tun muss, schlicht um Gefahren zu minimieren. Als Trainerin liegt es in meiner Verantwortung.

Ja, ich könnte auch Kurse bilingual halten, was eine extreme Mehrbelastung bedeutet und der Konzentration der übrigen teilnehmenden Personen nicht gerade zuträglich ist.

 

Es ist demnach keine Ablehnung, keine böse Absicht, kein Fremdenhass und auch keine „Gesinnung“, die dazu führt, dass ich den Forderungen der Personen mit Flüchtlingshintergrund nicht nachkommen kann.

Dennoch sieht man sich sofort mit Vorwürfen konfrontiert.

 

Frage an die Gutmenschen

Hier möchte ich gerne von den Menschen, die Solidarität in allen Belangen fordern, die uns zum Verzicht auffordern, um einen Schulterschluss mit einem Land herzustellen, die sehenden Auges auf einen Winter zusteuern, in welchem viele Menschen frieren werden müssen, wissen, wie ich mich ihrer Meinung nach korrekt, solidarisch und hilfsbereit verhalten soll?

 

Ich weiß im Moment selbst nicht mehr richtig weiter und will mich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass uns alles entrinnt, während man ein Etikett aufgedrückt bekommt, welches einen als egoistischen und extremistischen Zeitgenossen abstempelt, der sowieso „rechts“ ist, wenn er die Maßnahmen und die Politik kritisiert.

 

Nachdem ich überfragt bin, wie ich mich in dieser Situation verhalten soll, höre ich mir gerne Vorschläge von Menschen an, die es besser wissen als ich selbst.

Gerne können diese Menschen auch die Kursgebühren für die Flüchtlinge übernehmen, quasi als Patenschaft.

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