Nadine Rebel
Betrachtet man als Außenstehender manche Glaubensgemeinschaften, hier respektive diejenigen, die in die Rubrik einer Sekte fallen, so erscheint das Verhalten einiger Anhänger und Anhängerinnen widersinnig und unlogisch. Immer wieder stellt man sich die Frage, wie Menschen sich derartigen Regeln beugen, diese freiwillig auf sich nehmen und ihr ganzes Leben danach ausrichten können. Zwang, Gewalt, Verrohung, Unterwerfung unter herrschende Personen, die Unmögliches verlangen sind in Sekten an der Tagesordnung. Oftmals nimmt die sich unterwerfende Person dabei selbst Schaden und zieht auch dann nicht die Reißleine, wenn sie ihren Angehörigen und Schutzbefohlenen Schaden zufügen soll. Begründet wird das Verhalten häufig mit dem Streben nach einem höheren Ziel, nach Erlösung oder Erleuchtung. Charismatische Personen, denen sich die Mitglieder nur zu gerne unterwerfen, üben manipulative Gewalt aus. Der Verstand scheint Pause zu machen. Betrachtet man die Merkmale, die eine Sekte definieren, kommt man ins Grübeln.
Wörtlich übersetzt kann Sekte auch „Partei“, „Lehre“ oder „Schulrichtung“ bedeuten. Somit ist eine Sekte per se nicht zwangsläufig eine Religionsgemeinschaft, sondern kann auch eine philosophische oder gar politische Richtung bzw. deren Anhängerschaft beschreiben.
Eine Sekte ist häufig eine eher kleinere Glaubensgemeinschaft, die sich von der ursprünglichen Denkrichtung/Ausrichtung der Religion verabschiedet hat und nun eine neue Position vertritt.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Ideologie der Sekte, die das Fundament dieser darstellt.
Diese Ideologie widerspricht häufig den in der Allgemeinheit vertretenen ethischen Grundwerten und stellt eine radikale Sichtweise dar.
Zentrales Merkmal einer Sekte ist die Existenz einer Führungspersönlichkeit, deren Aussagen nicht hinterfragt werden dürfen.
Die Regeln der Sekte betreffen nahezu alle Lebensbereiche der Anhänger (m, w, d).
Das Verhalten der Mitglieder wird stets überwacht.
Die Sektenanhänger fühlen sich privilegiert und halten sich für etwas „Besseres“.
Die Personen, die nicht der Sekte angehören, werden ausgegrenzt. Vielfach möchte man mit diesen Individuen oder Gruppen nichts mehr zu tun haben. Man fürchtet, Schaden nehmen zu können, wenn man seine Zeit mit derartig Ungläubigen verbringt.
Die bisherige Lebensweise, die man bis vor dem Eintritt in die Sekte selbst als gut oder lebenswert angesehen hatte, wird abgewertet.
Um die Regeln der Sekte zu befolgen, investieren die Mitglieder (m, w, d) viel Zeit und Geld.
Gemeinhin lässt sich eine Sekte an 3 Merkmalen erkennen:
1.) Es existiert eine Führung, die nicht kritisiert werden darf.
2.) Zahlreiche Vorschriften regulieren nahezu alle Lebensbereiche der Anhänger (m, w, d).
3.) Die Mitglieder werden überwacht und kontrolliert, Fehlverhalten wird bestraft.
In der aktuellen Folge des Podcast, den ich höre, ging es um Sekten und ihre Auswirkungen auf die Mitglieder. Es ging um Verbrechen an den Anhängern und Anhängerinnen und es ging auch darum, wie schwer der Ausstieg aus Sekten ist. Der Zusammenhang war ein anderer als der, den ich während des Zuhörens unwillkürlich herstellte.
Ich ertappte mich, wie ich nicht anders konnte, als die Definitionskriterien und die Erkennungsmerkmale auf unsere heutige Situation zu übertragen. Zunächst wischte ich diese Gedanken weg. Doch sie ploppten immer wieder auf.
Was ist, wenn wir den Pfad der Vernunft schon längst verlassen haben und sich die Corona-Politik zu einer Sekte entwickelt hat? Was ist, wenn die Anhänger den Ausstieg nicht mehr finden?
Natürlich benötigt eine Gesellschaft eine gewisse Art von Führung und ein Reglement, damit nicht alles aus dem Ruder läuft. Auch kann ein einer sozialen Gemeinschaft nicht jeder das tun, was ihm oder ihr gerade gefällt, vor allem dann nicht, wenn es anderen Individuen Schaden zufügen könnte.
Doch gibt oder gab es in einer freien und demokratischen Gesellschaft auch immer Grenzen und Tabus. Einige Bereiche sollten nicht angetastet werden. Menschen durften im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten frei entscheiden, frei bestimmen, wie sie ihren Alltag gestalten, was sie tragen möchten, wann sie das Haus verlassen, wen sie treffen, was mit dem eigenen Körper passieren soll, wie sie sich von Sterbenden verabschieden möchten und vieles mehr. Nicht alle Bereiche wurden reglementiert.
Mit dem Auftreten des neuartigen Virus hat sich hier Einiges gedreht. Das Leben veränderte sich, das Verhalten musste angepasst werden, um das große Ziel zu erreichen.
Kritisch sollte man die Regeln nicht betrachten und dies auch nicht äußern, wollte man sich nicht als Störer, Unwissender oder Abtrünniger outen.
Autonomie und die freien Entscheidungsmöglichkeiten traten in den Hintergrund. Nahezu alle Lebensbereiche (Privatleben, Schule, Freizeit, Arbeit, Einkaufen, Verabschiedung von Sterbenden, Urlaub, Reisen, Kindergarten, persönliche Hygiene, Kleiderordnung) wurden neu geregelt. Die Einhaltung der neuen Regeln wurde überwacht. Hielt man sich nicht an die Regeln, wurde man bestraft.
Logik und Nachvollziehbarkeit suchte man häufig vergebens. Äußerte man diese Gedanken, so war klar, dass man nicht zur Wunschgemeinschaft gehören könne, noch solle, denn allein durch die Existenz kritischer Gedanken, gefährde man das Erreichen des hohen Ziels.
Sektenmitgliedern gelingt ein Ausstieg häufig nur mittels professioneller Hilfe. Über eine lange Zeit (meist mehrere Jahre), wurden sie im Glauben gehalten, dass sie etwas Gutem dienen würden, dass sie sich nur ein wenig mehr anstrengen müssten, um ihren Beitrag zu leisten, das Endziel zu erreichen, dass die eigenen Gedanken und Einschätzungen, sofern sie vom Sektennarrativ abweichen würden, verwerflich und böse seien.
Die Erkenntnis, einem Irrglauben aufgesessen zu sein, ist hart und schmerzlich. Nicht nur, dass man sich die eigene Verblendung eingestehen muss, man muss auch akzeptieren, dass man bereit war, mit seinem eigenen Verhalten anderen zu schaden, obwohl man doch der Meinung war, man würde sich gut und richtig und im Idealfall zum Wohle aller verhalten.
Auch wird es ehemaligen Sektenmitgliedern häufig schwergemacht, sich aus der Gemeinschaft zu lösen. Die Freiheit dem Glauben zu entsagen, um wieder eigene Wege zu gehen, wird den Personen, die die Glaubensgemeinschaft verlassen wollen, schwer gemacht.
Häufig werden sie auch nach dem Ausstieg aus der Sekte verfolgt.
Betrachtet eine außenstehende Person eine Sekte, so versteht diese häufig nicht, wie die Anhänger so viele Regeln und so viel Zwang auf sich nehmen können. Sektenmitglieder denunzieren sich gegenseitig, melden Fehlverhalten auch des eigenen Ehepartners, zwingen ihre Angehörigen Dinge zu tun, die diese schmerzen, die ihnen Schaden zufügen. Dieses Verhalten macht oftmals nicht einmal vor den eigenen Kindern halt.
Die Führungsperson hat es angeordnet und so muss man gehorchen. Dieses Reglement verschafft Sicherheit, kreiert Vertrauen. Selbstvertrauen ist bei Sektenmitgliedern häufig nicht sehr stark ausgeprägt und so hilft die Existenz einer anderen Person, der man bedingungslos vertrauen kann und soll. Diese Person, die Regeln, die Gemeinschaft verschaffen Halt. Halt, den man sich selbst nicht geben kann.
Und so hält man auch dann krampfhaft an Vorschriften fest, die keinen Sinn ergeben und nichts und niemanden dienen, nur, weil es so gesagt wurde und man ein gutes Mitglied dieser Gemeinschaft sein möchte.
So wie Sekten häufig irrationale Ängste schüren (Angst vor Bestrafung, Angst vor der Führungsperson, Angst vor Denunziation, Angst vor Fehlverhalten, Angst vor Konsequenzen), um damit ihre Mitglieder gefügig zu machen, so wurden auch wir in Angst gehalten.
Und auch wenn wir nun sehen können, dass viele der angenommenen Bedrohungen sich auflösen und dass es in zahlreichen Gebieten keinen Grund mehr gibt, Angst haben zu müssen, so ist die Angst zum Selbstläufer geworden.
Wie ein Sektenführer kein Interesse daran hat, dass Sektenmitglieder oder Außenstehende Erklärungen und Beweise für die Rechtmäßigkeit des eigenen Verhaltens bekommen, so scheint auch die Regierung im Moment kein Interesse an einer evidenzbasierten Aufarbeitung zu haben. Warum?
Es gibt, meiner bescheidenen Meinung nach, nur 2 Möglichkeiten: Entweder, das Verhalten war absolut richtig, dann muss man auch keine Angst vor einer Evaluation haben, oder aber das Verhalten war in (Teil-) Bereichen falsch. Dann macht man diese Fehler kein zweites Mal.
Doch so wie ein Sektenführer kritische Fragen und den Wunsch nach Argumenten als Majestätsbeleidigung oder gar als eine Art der Gotteslästerei empfindet, so darf auch heute in vielen Bereichen die C-Politik (immer noch) nicht in Frage gestellt werden.
Wie schaffen wir gemeinsam den Ausstieg aus der Corona-Sekte? Wie erkennen wir, dass wir teilweise einem Irrglauben aufgesessen sind und dass die vorgeschriebenen Verhaltensweisen nicht der Erreichung eines Endziels dienen?
Wie können wir uns von den Führungspersonen lossagen, die meinen, unsere privatesten Bereiche überwachen zu wollen?
Wie können Sektenmitglieder, Aussteiger, Abtrünnige und potenzielle Aussteiger wieder zusammenfinden?
Wo findet sich die Beratungsstelle „Hilfe zum Ausstieg aus der Corona-Sekte“?