Nadine Rebel
Neue Zeitrechnung. Vor Corona. Nach Corona. Vor der Pandemie war ich unbedarft und habe mich nicht mit Politik beschäftigt. Ich nahm hin, was mir vorgesetzt wurde und dachte nicht viel darüber nach. Ich habe mich für die rote Pille entschieden und jetzt kann ich nicht mehr zurück. Ich bin verrückt worden und ich habe das Gefühl, dabei verrückt zu werden.
Mein Leben war nie sorgenfrei und das ist und war okay. Jetzt aber bestimmt die Angst und das Unverständnis jeden Tag, wie ein wummernder Tinnitus.
Ohnmächtig
Es ist eine Sache, Sachverhalte zu betrachten. Es ist eine andere Sache, sie zu verstehen. Vielleicht meint man auch nur, diese zu verstehen und ist dabei quer im Denken.
Krieg ist Frieden, Wahrheit Lüge und Liebe Hass. Freiheit ist Sklaverei und das Wahrheitsministerium vertuscht die Wahrheit und kümmert sich darum, die Lügen mundgerecht aufzubereiten.
Und ich kann gar nichts dagegen tun. Zeilen verschwinden im Nichts. Ich habe weder Geld noch Einfluss noch Macht. Ich bin ohnmächtig.
Es tut mir so leid
Dabei geht es mir weniger um mich. Wenn ich morgen nicht mehr da bin, dann ist das auch in Ordnung.
Aber meine Kinder. Es sind so großartige junge Menschen, so voller Pläne und Engagement, Verantwortung. Ein ganzes Leben steht vor ihnen.
Ein Leben, in welchem der Atomkrieg droht. Ein Leben, bei dem man mit Fleiß und Rechtschaffenheit nicht mehr genug zum Leben verdienen kann. Ich schäme mich, dass ich Ihnen nichts Besseres bieten kann.
Ich verstehe nicht
Ich verstehe nicht, wie man sich gegenseitig mit Waffen drohen kann, die alles auslöschen können. Ich verstehe überhaupt nicht, was es rechtfertigt, Menschen vorsätzlich zu töten. Ich verstehe nicht, wie man an etwas festhalten kann, was unwahr ist. Ich verstehe nicht, wie man Regeln aufstellen kann und sich selbst nicht daran hält. Ich verstehe die Auszeichnungen und Preise nicht, die vergeben werden an Menschen, die nicht mal einen Satz fehlerfrei aussprechen können. Ich verstehe nicht, wie man Menschen unterdrücken kann. Ich verstehe nicht, wie man überall hinsieht, nur nicht ins eigene Land.
Ich verstehe überhaupt nichts mehr.
Ich glaube, ich bin verrückt geworden. Oder vielleicht bin ich auch einfach nur verrückt worden.
Dabei weiß ich nicht mal, ob ich vorher einen richtigen Platz hatte.
Wir alle sind aus Sternenstaub
…. . . in unseren Augen war mal Glanz, wir sind noch immer nicht zerbrochen, wir sind ganz (Songtext von „Ich und Ich – Vom selben Stern). Mag sein, aber manche Menschen sind gleicher als gleich.
Jetzt sind wirklich andere Geister dran und niemand nimmt den Schmerz von mir.
Der goldene Oktober
Früher habe ich mich auch über schöne Tage gefreut. Einfach nur gefreut. Weil es schön ist, wenn die Sonne scheint, weil jede Jahreszeit ihre Faszination hat.
Heute freue ich mich über jeden Tag, der so warm ist, dass die Heizung ausbleiben kann oder nur minimal laufen muss, weil ich nicht weiß, wie ich die Heizkosten zahlen soll.
Augen auf bei der Berufswahl
Woran sparen die Menschen, wenn sie sparen müssen? An Freizeitaktivitäten und an der Bildung, wenn beides Geld kostet. Verständlich. Leider bin ich in beiden Bereichen tätig. Wer wird sich angesichts der steigenden Kosten und der hohen Inflation denn noch den Besuch eines Sportstudios leisten können und wollen? Und welche Unternehmen sollen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren, wenn sie nicht wissen, ob sie morgen noch Mitarbeiter haben?
Konfliktfreie Kommunikation
Und wenn Anfragen kommen, dann sind sie in vielerlei Hinsicht nicht mach- oder tragbar. Die Tagessätze sind so knapp bemessen, dass die Benzinkosten, um an den Veranstaltungsort zu kommen, diese schon fast übersteigen. Und wie soll ich denn in diesen Zeiten authentisch von „konfliktfreier und wertschätzender Kommunikation“ reden, wenn die Gewalteskalation jeden Tag weiter geht?
Wir sind noch immer nicht zerbrochen
Zerbrochen bin ich noch nicht, aber aus ganz dünnem Porzellan. Und da Dieses einfach nur sinnlos rumsteht und die Erschütterungen außenherum immer größer und häufiger werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis nur noch Scherben übrig sind.