Nadine Rebel
Glauben heißt, etwas als gegeben annehmen, was man nicht beweisen kann und nicht beweisen muss. Die mangelnden Beweise sind dabei kein Düngemittel für das eigene Zögern, Zaudern und die eigene Angst. Vielmehr geht man den Weg weiter in festem Glauben und Vertrauen. Weiter voran. Zur Not auch ein Stück allein, weil man weiß, dass man nicht allein ist.
Denn siehe...
„Denn siehe ich bin bei dir Euch Tage, bis an der Welt Ende“. (Matthäus 28.20)
Dieser Spruch steht auf meinem Rücken. Ich weiß, dass er dort steht, auch wenn ich ihn nicht sehe. Ich habe ihn mir dorthin tätowieren lassen.
Ich bin getauft und konfirmiert worden und bin im Alter von 24 Jahren konvertiert. Bei der Aufnahme bekam ich einen für mich bestimmten Spruch. Es war:
„Denn siehe, ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende“.
So weit, so unspektakulär. Doch war es auch mein Konfirmationsspruch und davon wussten die Kirchenvertreter meiner neu gewählten Glaubensrichtung nichts.
Für mich war es ein Versprechen. Eine Zusicherung, dass meine Entscheidung nicht falsch, sondern richtig war. Weil das Versprechen, was ich mit 14 erhalten hatte, 10 Jahre später erneuert wurde. Bedingungslos.
Technischer Defekt zum Nachdenken
In unregelmäßigen Abständen finden durch höhere Kirchenvertreter Gottesdienste in anderen Ländern oder anderen Städten statt, die dann per Video live in die heimische Kirche übertragen werden.
Das funktioniert meist gut.
Ganz selten gibt es ein paar Wackler oder Übertragungsfehler.
Und dann kann es passieren, dass die Verbindung ganz abbricht.
Auf einmal allein gelassen
Die Person, die am Bildschirm das Prozedere vorgibt, ist auf einmal nicht mehr zu sehen.
Es bleibt still. Der Bildschirm informiert, dass man warten solle. Bitte die Geräte nicht ausschalten.
Und weil das Warten sowieso untrennbar zum Glauben dazugehört, warten die Gemeinde und die Amtsträger.
Trotz der vorherrschenden Ruhe bemerkt man aber doch, dass sich leises Unbehagen breit zu machen droht. Die Unsicherheit versucht die Ruhe.
Niemand weiß, was los ist. Keiner kann sagen, ob und wie es weitergeht.
Kann, soll und darf man sich über den eigentlich laufenden Gottesdienst hinwegsetzen?
Immerhin findet dieser definitiv noch statt, man sieht ihn nur nicht mehr.
Wann ist es Pragmatismus und wenn Anmaßung, wenn man die Zügel selbst in die Hand nimmt?
Eine Metapher
Und gerade weil das bestimmt so nicht vorgesehen und in keiner Weise geplant war, habe ich für mich viel mitgenommen.
Es ist im Leben oft so: Irgendwann muss man die Entscheidungen für sich treffen und dahinterstehen. Nicht immer bekommt man dafür sofort ein Fleißbildchen oder ein Sternchen. Unter Umständen fehlt das Feedback gänzlich.
Man kann warten, dabei muss man aber nicht in eine Schockstarre verfallen.
Und auch wenn man den laufenden Gottesdienst, an dem man bis zum Ende per Videoschalte hätte teilnehmen wollen, nun nicht mehr sehen kann, so kann man sich sicher sein, dass dieser noch läuft.
Und dann steht man für sich selbst ein und macht im Kleinen weiter, was im Großen angedacht war.
Und man weiß dabei, dass man nie allein ist, auch wenn man den Glauben nicht durch Beweisen untermauern kann.
Weil man Glauben nicht durch Beweise untermauern muss.