Rebel-Management-Training denkt nach!

Nadine Rebel

Das Netz ist nicht das Leben

Soziale Medien - Bilder

My life on Facebook (Instagram, XING, Linkedin, Twitter, Google). Auch ich nutze alle diese Medien, schreibe, lese, poste, versuche Marketing zu machen. Leidlich erfolgreich. Für Werbekampagnen fehlt das Geld, Reichweite habe ich auch keine. Ohne geht es nicht in der heutigen Zeit. Das Abbild der Gesellschaft, welches in diesen Medien dargestellt wird, ist allerdings selten das einer sozialen Gesellschaft. Und man bleibt anonym - auf beiden Seiten.

 

Mindestens 2 Welten

Ich denke, dass es normal ist, ein gewisses Bild von sich zu entwerfen. Image eben. Im Idealfall passt das Image zum Unternehmen oder der Person, aber auch das liegt zum Teil im Auge des Betrachters (m, w, d). Es dürfte auch jeder Person klar sein, dass man nach einer durchzechten Nacht oder 2 Wochen nach der Geburt eines Babys oder gebeutelt von einer schlimmen Erkältung nicht aussieht, wie frisch aus dem Ei gepellt. Insofern gibt es eben das echte Leben mit Freunden, die einem auch dann zur Seite stehen, wenn das Deo versagt oder Ähnliches passiert, und das Image-Leben, welches man heute zum Teil bedienen muss, wenn man nicht als ewig gestrig dastehen will. Ich versuche allerdings immer, das Bild so realistisch wie möglich zu zeichnen. Es kann schließlich vorkommen, dass man in der Realität das Bild, welches man von sich entworfen hat, beweisen muss. Dann möchte ich mir die Peinlichkeit ersparen.

 

Jedes Medium hat sein eigenes Thema

Bei Instagram geht es um Schönheit und Bewunderung, bei XING kann man sich hinter einer Businessfassade verstecken. Das Ganze scheint für LinkedIn ebenso zu gelten, hier kommt es mir regelmäßig so vor, als ob der Grad der Selbstdarstellung noch ein wenig mehr ausgenutzt wird. Facebook ist out und wird fast nur noch von „Boomern“ genutzt, Snapchat zieht die Möglichkeiten der Bildbearbeitung fast schon ein wenig ins Lächerliche, TikTok ist das bewegte Bild und immer, wenn eine „neue“ Plattform von der falschen Personengruppe gekapert zu werden droht, macht eine Neue auf.

Ich habe ein wenig den Überblick verloren, weswegen die Beschreibungen oben keinen Anspruch auf Korrektheit oder Vollständigkeit erheben.

Ich merke nur, dass ich mittlerweile der „älteren“ Generation angehöre, denn Tik Tok und Snapchat nutze ich nicht. Irgendwie käme mir das persönlich für mich auch ein wenig lächerlich vor. Geschmackssache.

 

Die Bewertungen der Kunden

Was mich regelmäßig ärgert, sind Google-Bewertungen. Dabei geht es mir nicht einmal um negative Kritik, sondern um die Art und Weise.

Dass die eine Person etwas so und eine andere Person es anders empfindet: Geschenkt.

Dass man diese Empfindungen aussprechen darf. Bitte!

Wer jetzt allerdings noch erwartet, dass man dabei bei der Wahrheit bleibt und nicht ein wenig übertreibt, der ist schief gewickelt.

So, wie man kein unbearbeitetes Foto mehr veröffentlichen kann, ohne sich selbst zu diskreditieren, so kann man auch hier nicht bei der Wahrheit bleiben. Da wird schnell mal erfunden oder weggelassen, ganz so, wie es zum Schreckensszenario passt. Dabei haben die bewertenden Personen mehr „Macht“ als die Person, die jeden Tag versucht, alles zu geben.

 

Follower sind die neue Währung

Egal ob YouTube, Instagram oder Twitter. Die Zahl der Follower ist entscheidend. Manchmal beißt sich die Katze dabei in den Schwanz, weil man gewisse Funktionen erst nutzen kann, wenn man genügend Follower hat, manchmal geht der Mensch dahinter vollkommen verloren.

 

Hatespeech

Im Netz verliert so manche Person ihre Manieren. Da wird gepöbelt, gehetzt, diffamiert, übertrieben. Hauptsache Aufmerksamkeit. Die Eigendynamik, die sich dabei entwickelt, ist oft toxisch. Ich denke aber auch, dass nur ein Bruchteil derer, die im Netz auch mit ganz unschönen Äußerungen laut sind, dies im realen Leben tun würde, dann, wenn er oder sie von Angesicht zu Angesicht mit der zu beschimpfenden Person stehen würde.

Das macht es nicht besser, da die Empfindungen ja existent zu sein scheinen, aber auch hier gilt bis zu einem gewissen Grad der Grundsatz: Die Gedanken sind frei.

 

Wer von uns hat sich nicht schon einmal ausgemalt, bestimmte Personen mit einer ganzen Tirade von Schimpfwörtern zu übersäen? Unter Umständen war man selbstreflektierend überrascht, wie groß der Wortschatz unflätiger Beleidigungen sein könnte, der sich in den Tiefen des Denkens verbirgt. Da gehört er auch hin. Und es ist in Ordnung, sich seiner Wut dahingehend Luft zu machen, dass man sich vorstellt, wie man reagieren könnte, oder würde, oder wollen würde.

Und dann kommt die Grenze des Anstands und des guten Geschmacks und man hält sich zurück.

 

Lovespeech

Im umgekehrten Fall gilt das auch. Worte malen Bilder, Worte wecken Emotionen, Emoticons tun ihr Übriges. Es geht schnell, es ist unverfänglich und die Augenblicke gehen im wahrsten Sinne des Wortes verloren. Angefangene Sätze können gelöscht werden, Reaktionen ganz ausbleiben, Interpretationen haben auf allen Seiten ein enorm großes Spielfeld. Eine Reaktion im Netz bedeutet noch lange nicht, dass im realen Leben eine Aktion vonstatten geht. Auf beiden Seiten kann man sich dieses oder jenes ausmalen und sich hinter der kleinen Fassade des Handys oder Rechners verstecken. Was davon im wahren Leben Bestand hätte, muss nicht einmal unter Beweis gestellt werden. Man ist überall dabei und Google-Stalking salonfähig. Unverfänglich, ohne Gewähr, unverbindlich. Und doch so bedeutsam?

 

Warum eigentlich?

Man möchte, daran will ich fest glauben, im Falle von Hatespeech im wahren Leben nicht aus der Rolle fallen, denn im Grunde ist man weder gemein noch übergriffig. In der Realität steht man der Person, die man unter Umständen verletzt, gegenüber. Man sieht ihre Reaktion, man erhält umgehend die Quittung. Im Falle von Komplimenten und Lovespeech ist es das Gleiche. Vielleicht würde man belächelt, vielleicht ausgelacht. In beiden Fällen zieht die virtuelle Realität einen Schutzwall um die Seele, der in der Realität nicht einmal sichtbar ist.

Düngt die virtuelle Realität die persönliche Feigheit?

 

Wie gut, dass es das Netz gibt.


Es gibt viele gute Argumente, bei verschiedenen sozialen Medien nicht mit dem eigenen Klarnamen aufzutreten. Bei einigen Personen kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass die Phantasienamen nur und ausschließlich dazu dienen, relativ anonym zu pöbeln und zu hetzen.

Somit stellt sich die Frage, ob die Verwendung von Pseudonymen nicht ein indirektes Eingeständnis der eigenen Höflichkeits-Unfähigkeit sein kann. Zumindest bei Einigen, zumindest bei den Personen, die sich wie Trolle benehmen.

Denn offensichtlich wollen sie im realen Leben nicht damit konfrontiert werden, wer oder was sie im Netz sind.

 

Nichts wird so heiß gegessen

Oftmals kommt es mir so vor, als ob jeder den anderen übertrumpfen möchte. Jeder möchte der oder die Erste sein, die eine neue Horrornachricht vom Stapel lässt. Gruselfaktor und Engegefühl in der Brust werden gratis mitgeliefert. Eigen- oder Gruppendynamik des Sadismus? 
Es ist schwer, die Balance zu halten. Schlimme Meldungen ziehen einen in den Abgrund, sinnlose Euphorie lässt einen die Bodenhaftung verlieren. Irgendwo dazwischen kann man sich sicher bewegen.

 

Ein Platz für die Realität

Was ich meine definitiv festgestellt zu haben ist, dass das Netz kein Abbild des realen Lebens darstellt. Weder im Guten noch im Bösen. Menschen sind nicht so schön, aber auch nicht so böse wie sie dargestellt werden oder sich selbst darstellen. Wie Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte und das Leben findet draußen statt.

 

Das Leben hat keine Löschfunktion. Aktionen und Reaktionen kann man nicht einfach „ausprobieren“ und sich hinter Pseudonymen verstecken. Im realen Leben sieht man die laufende Nase und riecht das versagende Deo.

 

Im realen Leben kann man mit allen Sinnen wahrnehmen. Riechen, Sehen, Schmecken, Hören, Fühlen, echte Berührungen erleben. Reizüberflutung ohne Löschfunktion.

Und man selbst mittendrin.

Leben am Limit? Vielleicht.

 

Auch ich verstecke mich gerne oder öffne mich nur in Schutzräumen. Ich habe nicht selten Angst, dass andere meine Defizite allzu schnell wahrnehmen könnten.

Dabei ist kein Mensch defizitär, sondern einfach nur einzigartig.

 

Und schmunzelnd denke ich an den in der Kindheit verhassten Satz:

 

„Kind, geh draußen spielen. Das Wetter ist so schön!“

 

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