Nadine Rebel
Ich habe keine Ahnung von Politik. Ich habe nur Werte, ein Gewissen, ein Bauchgefühl und Interesse. Von dieser Mischung angetrieben, fing ich 2020 an, mich mit dem Bereich auseinanderzusetzen, der von den Wählern (m, w, d) den Auftrag bekommen hat, sich um das Wohl möglichst aller zu kümmern. Ich habe gelernt, dass man als Kritiker schnell an einen extremen Rand gestellt wird und ich habe gelernt, dass man zwar Fragen stellen kann, selten allerdings Antworten bekommt. Ich habe gelernt, dass Versprechen nur so lange gelten, wie es den Versprechenden opportun erscheint. Erst kürzlich habe ich gelernt, dass Waffen nicht dazu dienen, Menschen zu töten, sondern ein Symbol für Liebe, Frieden und Freiheit sind. Und ich erkenne: Ich habe nicht nur keine Ahnung von Politik, ich bin auch vollkommen minderbemittelt und habe ein naives Gewissen und Werte, die nicht wichtig sind.
Niemanden ausgrenzen
D’accord! Hört sich gut an. Deckt sich mit meinen Werten. Diese Forderung klingt gut.
Doch Ausgrenzung findet statt. Immer wieder, immer neu, immer noch.
Es gibt allerdings legitime Ausgrenzung (Menschen wider wissenschaftlicher Erkenntnisse vom sozialen Miteinander ausschließen, wenn sie sich nicht einer Behandlung unterziehen lassen wollen) und böse Ausgrenzung (Menschen mit den falschen Pronomen ansprechen).
Und wenn ich nicht so schreibe, wie ich schreiben sollte, dann kann es sein, dass ich mancherorts keine Anträge stellen kann, weil ich durch meine Formulierung, Menschen ausgrenze.
Gleichzeitig gibt es Regeln, die besagen, dass Personen, die an einer diagnostizierten Lese-Rechtschreibschwäche leiden, in Prüfungen mehr Zeit zur Verfügung gestellt bekommen müssen, damit diese nicht aufgrund ihrer Einschränkung diskriminiert werden.
Das finde ich in Ordnung. Aber sollten dann nicht die gleichen Regeln für alle gelten?
Wenn ich also sage, ich fühle mich als Mensch mit einer Genderrechtschreibschwäche, die ich habe, die nur noch nicht diagnostiziert wäre, darf man mich dann deswegen beschimpfen, oder mir vorwerfen, ich würde gegebenenfalls an toxischer Männlichkeit leiden? Und darf es diesen Begriff überhaupt seinerseits geben, der doch ein Geschlecht an sich diskriminiert und mit Gift in Verbindung bringt?
Auch habe ich noch nichts von toxischer Weiblichkeit gelesen.
Ah, ich vergaß: Männlichkeit und Weiblichkeit sind nur Hirngespinste, soziale Konstrukte.
Aber ist dann nicht die vielzitierte toxische Männlichkeit ebenso ein Konstrukt wie der Feminismus?
Und wenn es nur Konstrukte sind, muss man sich dann damit auseinandersetzen?
Denn der Konstruktivismus sagt ja, dass es die Realität gar nicht gibt, dass diese vielmehr in den Köpfen der Denkenden oder Nicht-Denkenden konstruiert wird.
So viele Fragen, auf die mir niemand (m, w, d) Antworten geben kann.
Extremismus
Definition: „Beschreibt eine extreme (politische) Haltung.“
Ah ja! Auf diese Erklärung wäre ich fast von selbst gekommen.
Extremismus ist nie gut.
Ja, das kann ich nachvollziehen. Wenn es extrem heiß ist, fühle ich mich nicht wohl. Wenn es extrem kalt ist, auch nicht.
Lauwarm ist also in Ordnung.
Hm. Da fällt mir ein Spruch aus der Bibel ein (Offenbarung 3,16): „Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“
Also scheint „lau“ auch nicht so großartig zu sein. Oder aber doch? Immerhin will ich nicht von irgendjemandem verspeist, einverleibt, gegessen, zerkaut und zerkleinert werden.
Dann wäre die Vermeidung von Extremismus fast schon ein biblischer Selbstschutz?
Oder doch eher gotteslästerlich?
Ich bin schon wieder mal aufgeschmissen.
Extremismus lässt einen nicht so sein, wie man gerne wäre. Extremismus zwingt eine Person, Stellung zu beziehen, nicht lau zu sein.
Extremismus erfordert extreme Handlungen. Wenn ich den Mund zu voll nehme und die Speise zu heiß ist, dann tut es weh und ich werde ausspucken.
Das Gleiche passiert, wenn ich versuche, einen riesigen Eiswürfen ohne Schmerzen im Mund zu behalten.
Extremismus tut also weh und die natürliche Reaktion eines Menschen ist, diesen zu vermeiden.
Nein? Schon wieder was falsch verstanden?
Hufeisentheorie
Die Hufeisentheorie war mir bis vor Kurzem nicht bekannt. Erst der laut in sozialen Medien lesbare Aufschrei derer, deren politische Ausrichtung mittels dieser Theorie erklärt werden soll, brachte mich dazu, nachzulesen, was diese Theorie aussagt.
Bis vor Kurzem waren Hufeisen für mich zum einen ein Glückssymbol (ich glaube sogar, ohne mir den Vorwurf machen zu können, dass ich hier kulturelle Aneignung betreiben würde) und zum anderen, waren es die „Schuhe“ der Pferde, die diese brauchen, damit sie sich ihre Füße, - äh Hufen nicht kaputt machen.
Die Hufeisentheorie dreht sich aber um etwas ganz anderes. Hier geht es um die bildliche Darstellung der extremen Positionen in der politischen Ausrichtung.
Und so, wie bei einem Hufeisen, die Spitzen/Enden aufeinander zulaufen, da ein Hufeisen nicht mit einem U gleichzusetzen ist, sagt auch die Hufeisentheorie, dass sich die Extreme der beiden Seiten näher sind, als sie selbst meinen, ja, dass sie sich unter Umständen sogar annähern und anziehen.
Die Linken sind dann bei kleinen Hufeisen fast die Rechten und umgekehrt?
Das kann doch nicht sein, das muss ich doch schon wieder falsch verstanden haben.
Und wieder musste ich feststellen, dass ich es nicht verstehe. Denn für mich klang das nicht unverständlich.
Aber N-TV mahnt, dass es gefährlich ist, an diesem Denkmodell festzuhalten. Gut, der Artikel ist von 2020, da war die Welt noch eine andere.
Aber an einem Modell festhalten, welches gefährlich ist, das will ich ja auch nicht.
Im Artikel heißt es:
„Politikwissenschaftler und Extremismusforscher Hajo Funke von der Freien Universität Berlin erklärt ntv.de: "In diesem Modell ziehen sich die beiden extremen Enden des politischen Spektrums an oder ergänzen sich sogar und bewegen sich wie Magnete aufeinander zu. Man unterstellt, dass rechts ist wie links, rechtsextrem wie linksextrem und dass beide für Gewalt und gegen den Verfassungsbogen des demokratischen Zentrums oder der demokratischen Mitte sind."
Ich würde hier mitgehen. Immerhin sind Extreme nie gut, wie ich oben festgestellt habe.
Doch wird die Theorie abgelehnt. Vor allem von denen, die das Wohl aller Wesen vor Augen haben, die im Menschen mehr sehen als Frau und Mann, die der Meinung sind, man solle nicht mehr Mutter sondern „gebärendes Wesen“ sagen und die mir Menstruationsunterwäsche für Wesen nahebringen wollen, die ich früher (tut mir leid, ich bin noch Lehrling) als Männer bezeichnet hätte.
Und auch die, die gerne von anderen an den rechten Rand gestellt werden, fühlen sich brüskiert. Natürlich sind die vom rechten Rand inhaltlich anders aufgestellt als die vom linken Rand.
Die Inhalte sind mit Sicherheit nicht gleich. Da könnte man ja auch gleich einen Schlachthof mit einem Gemüsebeet gleichstellen.
Das habe ich verstanden.
Ich habe aber immer noch Fragen.
Inhalte versus Vorgehen
Wenn man aber nun eher das Verhalten extremistisch orientierter Personen (m, w, d) betrachtet und die (vorgegebenen und vermeintlichen) Inhalte nur sekundär als wichtig erachtet, wird dann ein Schuh daraus?
Wikipedia (noch so eine umstrittene Quelle, die ich im Rahmen meiner Beschränktheit immer noch aufrufe), sagt:
„Als Extremismus bezeichnen Behörden in Deutschland seit etwa 1973 politische Einstellungen und Bestrebungen, die sie den äußersten Rändern des politischen Spektrums jenseits der freiheitlich demokratischen Grundordnung zuordnen. Der Begriff ersetzte im offiziellen Sprachgebrauch den bis dahin gebräuchlichen Radikalismus, der nunmehr für politische Einstellungen am Rande – aber noch innerhalb – des demokratischen Spektrums verwendet wird. Der Begriff, auch in Form der Extremismustheorie, ist in der Politikwissenschaft umstritten.“
Gut. Die Ränder (oder die Enden des Hufeisens) werden auch hier beschrieben. Die Einstellungen und Bestrebungen der Gruppierungen, die sich an diesen Rändern ansiedeln, agieren gegen eine freiheitlich demokratische Grundordnung. Extremisten sind noch schlimmer als Radikale. Radikale bilden nur die Vorhut von Extremisten.
Radikal ist also „gerade noch in Ordnung“, „extrem“ nicht mehr.
Kann man das so verstehen? Man kann also radikal sein und dennoch demokratisch bleiben?
Und wie passt dann Radikalismus in das Gefüge, wenn man auf der anderen Seite Verständnis, Empathie und ein Umdenken und ein Neuverhalten gegenüber jeder noch so kleinen Minderheit fordert. Oder ist die nichtverhandelbare Forderung nach Toleranz von allem und jedem per se schon radikal?
Was ich bisher dachte:
· Ein Extremist lässt keine andere Meinung gelten.
· Ein Extremist ist davon überzeugt, dass er (sie, es) Recht hat und alle anderen falsch liegen.
· Ein Extremist will seine Ziele durchsetzen, koste es, was es wolle.
· Ein Extremist mag keine Kritik.
· Ein Extremist ist manchmal der Meinung, dass der Zweck die Mittel heiligen würde.
· Ein Extremist meint, andere zu ihrem Glück zwingen zu müssen.
· Unter Umständen scheut sich ein Extremist auch nicht, andere für das hohe Ziel, welches er (sie, es) verfolgt, leiden zu lassen.
· Ein Extremist kann die Tatsachen so lange verdrehen, bis sie in das eigene Narrativ passen.
· Ein Extremist fordert Opfer.
Hufeisen bringen Glück
. . . aber nur, wenn man diese mit der Öffnung nach oben aufhängt.
Ein Aberglaube. Nur wenn man Hufeisen mit der Öffnung nach oben aufhängt, kann sich das Glück darin sammeln. Andernfalls läuft es aus.
Was passiert aber, wenn man metaphorisch das politische Hufeisen mit seinen Enden nach oben aufhängt? Das, was sich am rechten und linken Rand befunden hat, ganz gleich ob nun radikal oder extrem, fließt in der Mitte zusammen.
Was für ein Glück!
Gegen die Hufeisentheorie
Ich möchte, dass die Hufeisentheorie als Erklärung für politische Extreme verschwindet. Dem bislang geltenden Glückssymbol wird damit Unrecht getan und Pferde könnten sich diskriminiert fühlen, wenn man ihre „Schuhe“ zur Erklärung von antidemokratischem Verhalten heranzieht.
Ich bitte diese Minderheitenmeinung zu respektieren und glaube fest daran, dass ich im Sinne der Pferde spreche. Nein, gefragt habe ich diese nicht, aber das muss ich auch nicht.