Nadine Rebel
Wer meine Blogbeiträge verfolgt, weiß, dass ich das Wort Toleranz, so wie es häufig verwendet wird, nicht mag. Toleranz kommt von „tolerare“ und heißt nicht mehr, als dass man etwas ertragen kann. Es steht nicht für Respekt oder Wertschätzung. Dennoch ist Toleranz sehr wichtig, wenn man mit Themen konfrontiert wird, die einem als Problem aufgehalst werden sollen. Dann kann Toleranz, im Sinne von der Notwendigkeit, dies im Moment ruhig ertragen zu müssen, dem Zorn, der Wut und dem Unverständnis entgegenwirken.
Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Mit dieser Aussage soll zum Ausdruck gebracht werden, dass einen das Thema nichts angeht, dass man sich nicht darum kümmern muss und dass man die Affen, Affen und den Zirkus, Zirkus sein lässt.
Obwohl weder das Wort Affen noch das Wort Zirkus eine Wertung innehaben, grundsätzlich demnach neutral betrachtet werden könnten, schwingt eine gewisse Despektierlichkeit mit.
Jede Person, die diesen Ausspruch hört oder diese Aussage tätigt versteht, dass damit auch ein Urteil über die Gesamtsituation gefällt wird. Unausgesprochen und dennoch deutlich.
Die Situation ist lächerlich und dient allenfalls der Zerstreuung, nichts läuft nach Plan und alle drehen ein wenig durch. Ein Zirkus eben. Die Protagonisten sind nur Vorstufen einer intelligenteren Lebensform.
Das ist nicht meine Meinung und schon beim Schreiben denke ich mir, dass der Betrieb eines Zirkus harte Arbeit darstellt, und dass ich mir nicht sicher bin, ob der Mensch dem Affen wirklich überlegen ist.
Die ganze Situation, in der eine andere Person steckt, wird so ein wenig ins Lächerliche gezogen.Das ist nicht unbedingt respektvoll.
Nicht mein Problem
Sich mit einer Thematik nicht näher befassen oder die Weigerung für die Situation Empathie aufbringen zu wollen, kann durch diese 3 Worte zum Ausdruck gebracht werden. Ich will mich damit nicht beschäftigen, ich verstehe dich nicht und will dich nicht verstehen und außerdem habe ich Besseres zu tun.
Freundlich ist das nicht, selbst wenn es mitunter einen notwendigen Selbstschutz darstellt.
In vielen Fällen kann man sich, vor allem, wenn man in der Dienstleistungsbranche tätig ist, weder den ersten noch den zweiten Ausspruch zugestehen.
So sollte man nicht einmal denken.
Wer seine Probleme an der falschen Stelle thematisiert oder gar abladen möchte, kann an und von dieser Stelle keine Lösung erwarten. Dies zum Ausdruck zu bringen, wäre nur sachlich, würde in der Kommunikation aber so nicht verstanden werden.
Deswegen kommt man nicht umhin, sich das Problem näher zu betrachten und sich damit zu beschäftigen.
Wer ein Problem mit mir hat
. . . kann es gerne behalten, denn es ist ja seins!
Wieder eine Form der Abgrenzung und des Selbstschutzes. Grundsätzlich ebenso korrekt, im Alltag wieder nicht praktikabel.
Wer mir zum Vorwurf macht, dass ich zu viel gelb, oder schwarz oder lila oder sonst irgendeine beliebige Farbe trage, der soll einfach nicht hinsehen.
Wenn eine Person, die für sich entschieden hat, sich vegan ernähren zu wollen, einem Gasthaus mit dem Namen „Schlachthof“ Vorwürfe macht, weil es nicht in ihr Weltbild passt, kann noch nicht einmal tolerant sein.
Im Grunde könnte man Personen, die mich mit ihren Gedankengängen konfrontieren, also einfach mit diesen Worten abschmettern. Im Ergebnis führt dieses Verhalten aber nicht zu einer Verbesserung, ebnet nicht den Weg für einen möglichen Kompromiss und stößt beide Gesprächspartner in gewisser Weise vor den Kopf.
Thema statt Problem
Meine Heilpraktikerin ersetzt gerne das Wort Problem durch das Wort Thema. Zunächst mutete der Klang der Sätze etwas komisch an: „Damit habe ich kein Thema!“ - „Das ist nicht mein Thema!“
Im Nachklang finde ich diese Herangehensweise mehr als attraktiv.
Ich betrachte die Sachlage durch die Verwendung des Wortes „Thema“ neutraler und erkenne an, dass eine andere Person sich mit dieser Thematik befasst.
Ich bewerte nicht, weil Themen an sich neutral zu betrachten sind. Ich vermeide die sofort aufkommenden negativen Gefühle, die allein durch den Klang des Wortes „Problem“ auftreten könnten.
Ich kann unter Umständen auch etwas höflicher Grenzen ziehen, weil ich dem Gegenüber klar machen kann, dass ich zu diesem Thema keinen Zugang habe. Ähnlich wie eine Fremdsprache, die ich einfach nicht verstehe.
Ich verstehe nicht
Es ist, als ob jemand ohne Punkt und Komma auf mich einredet. Ich kann sehr wohl erkennen, in welcher Gemütsverfassung mein Gegenüber ist, ich sehe, ob mein Gegenüber aufgebracht, traurig oder unsicher ist und ich verstehe auch, dass von mir etwas erwartet wird, allein, weil der Mensch mich anspricht.
Da ich die Sprache allerdings nicht verstehe, kann ich das Problem nicht lösen, weil ich nicht verstehe, um welche Thematik es sich handelt.
Was kann ich also tun?
Ich kann der Person, die gerade in einer für mich unverständlichen Sprache auf mich einredet, ein wenig Raum und Zeit geben. Ebenso wichtig ist es aber auch, dass ich ihr schnell zu verstehen gebe, dass ich sie nicht verstehe.
Tue ich das nicht, so stehle ich auch meinem Gegenüber die Zeit. Dem Gegenüber zu erklären, dass man ihn nicht versteht und dass man keine Ahnung von dem Thema hat, von dem er (sie, es) gerade redet, ist also nicht mit einer grundsätzlichen Zurückweisung zu verwechseln.
Echte Toleranz
Und hier hat das Wort Toleranz in seiner ursprünglichsten Bedeutung seine Berechtigung.
Ich kann die Verhaltensweisen der anderen Personen ertragen.
Ich gebe ihnen einen gewissen Raum und verwende eine gewisse Zeitspanne für sie, solange mir das möglich ist und im Rahmen dessen, was ich tragen/ ertragen kann.
Danach muss ich eine Grenze ziehen.
Höflich ist es, das Gegenüber auf das baldige Erreichen der Grenze hinzuweisen. So wie es auch bei Landesgrenzen ist. Auch hier findet man Hinweisschilder, die zu bedenken geben, dass man bald ein Land verlässt - im übertragenden Sinne: dass man bald die Grenze des Erträglichen erreicht hat?