Rebel-Management-Training denkt nach!

Nadine Rebel

Größer als der Schmerz

Schmerz als Ausdrucksform

Die eigene Komfortzone zu verlassen ist nicht nur ungewohnt, sondern tut unter Umständen weh. Der Mensch vermeidet allerdings Schmerzen, wann und wo immer es geht. Per se ist dies eine gute Eigenschaft und schützt uns, manchmal hindert uns dieses Vermeidungsverhalten aber am Fortschritt. Aber wenn alle Schmerzen ignoriert werden, werden wir uns auf Dauer nur kaputt machen. Wie findet man nun den richtigen Weg?

 

Sei freundlich zu dir

Mir ist wichtig, zu betonen, dass Freundlichkeit, Achtung und Liebe, Wertschätzung und Geduld im Umgang mit Menschen nicht nur notwendig, sondern unabdingbar sind. Tatsächlich sollte man in allererster Linie auch mit sich selbst so umgehen, denn man ist schließlich der einzige Mensch, der 24 Stunden am Tag mit sich verbringen muss.

 

Freundlichkeit und Liebe, Wertschätzung und Anerkennung  dürfen aber nicht mit einer Käseglocke überfürsorglicher Helikopter-Eltern verwechselt werden.

Ich werde mich nicht selbst vor jeglicher negativen Erfahrung bewahren können, ich werde nicht alle Enttäuschungen vermeiden können, ich werde nicht immer fair behandelt werden und ich werde nicht immer schmerzfrei sein.

 

Manchmal ist der Schmerz sogar notwendig, um ein wichtiges Signal zu setzen. Ein Signal, etwas zu verändern oder eine Grenze zu zeigen, die ich unter Umständen doch überwinden kann, trotz - oder vielleicht auch wegen des Schmerzes.

 

Tanz tut weh

Inspiriert zu diesem Beitrag wurde ich unter anderem durch einen Beitrag auf einem Blog mit dem Titel.
„Warum „durch den Schmerz tanzen“ aus der Tanzausbildung verschwinden muss“. Dieser Beitrag wurde auf
tanztheorem.de - ein kritischer Tanzblog veröffentlicht. Man findet ihn zum Nachlesen hier.

 

Mit viel Kopfnicken habe ich den Artikel gelesen, die Ausführungen auf meine Tätigkeit als Tanztrainerin im akrobatischen Bereich übertragen, die Ausführungen auf meine Tätigkeit als Seminarleiterin übertragen.
 
Tanz ist für mich ein Ausdruck der Seele. Keine Seele ist voller Sonnenschein. Jede Seele hat Narben, die von Verletzungen zeugen, jede Seele kennt auch den Schmerz. Und das macht Seelen vollkommen.

Doch welcher Schmerz lässt und wachsen und welcher macht uns nur kaputt?

Das ist in der Akutsituation unter Umständen schwer zu entscheiden.

 

Der Umzug

Tägliche Hausarbeit ist lästig, aber selten schmerzhaft. Das Verrichten des Haushalts dient dazu, den Standard beizubehalten. Aufräumen, Putzen, Ordnen, Sortieren. Diese Tätigkeiten kosten auch Kraft, bringen uns aber selten voran und sind dennoch notwendig. Man kann auch nicht jeden Tag das ganze Leben umkrempeln oder alles neu streichen.

 

Fast jede Person ist in ihrem Leben schon einmal umgezogen. Ein Umzug ist ein Aufbruch in ein neues Leben.

Bei einem Umzug weiß man, dass viel Arbeit auf einen zukommt. Der Abschied vom alten und der Aufbruch in ein neues Zuhause ist in mehrerlei Hinsicht mit Schmerzen verbunden.

Man sortiert aus, man verabschiedet sich von Dingen, man packt Kisten. Dann schleppt man Möbel und Kisten, baut Möbel ab und dann wieder auf, arbeitet, schuftet.

Wie anstrengend so ein Umzug ist, merkt man meist am einsetzenden Muskelkater oder kleineren Verspannungen, die einen noch Tage nach dem Umzug begleiten.

 

Doch diese Anstrengung war notwendig. Ohne Anpacken, ohne Schleppen, ohne Zupacken und ohne Kraftanstrengung wäre es nicht gegangen.

Die Schmerzen, die man nach einem solchen Umzug spürt, können körperlich, aber auch seelisch sein.

Altbekanntes muss aufgegeben werden, vom Neuen erhofft man sich Verbesserung. Ob sich die Hoffnung erfüllt, kann man nicht genau sagen.

Die Müdigkeit, der Muskelkater, der Umzug, der einem sprichwörtlich in den Knochen steckt, ist dann auch eine gewisse Belohnung, dass man etwas Großes geschafft hat.

 

Hier ist der Schmerz Beweis dafür, dass man mehr geleistet hat als üblich. Hier erinnert uns der Schmerz daran, dass wir weitergegangen sind, dass wir die Komfortzone verlassen haben, dass wir bereit sind, uns auf Neues einzulassen.

 

Schmerz kann also eine bittersüße Belohnung sein. Wenn das Ergebnis stimmt, sind wir auch bereit, den Schmerz als notwendiges Übel auf dem Weg zur Weiterentwicklung zu akzeptieren.

 

Schmerzunterscheidung

Schmerzen haben immer Signalwirkung. Sie mahnen uns, die Aufmerksamkeit auf die Situation zu lenken, die die Schmerzen verursacht. Ignoranz ist generell keine gute Eigenschaft. Im Umgang mit Schmerz bringt sie uns selten vorwärts.

 

Um beim oben genannten Beispiel zu verweilen: Wenn mich jeder Tag zuhause schmerzt, wenn ich nicht zur Ruhe komme, wenn alles nur noch belastend ist und wie ein Alb auf der Seele liegt, wenn mir der Schmerz die Luft zum Atmen nimmt, wenn es nicht besser wird, dann ist es sicherlich kein Wachstumsschmerz.

 

Wachstumsschmerzen

Wachstumsschmerzen treten auf, weil man größer wird. Weil man mehr Raum einnimmt, weil man sich entfaltet. Man weiß, dass vor allem Kinder immer wieder Phasen durchleben, in denen sie mit Wachstumsschmerzen zu kämpfen haben.

Jedes Elternteil möchte am liebsten jeden Schmerz der Kinder vermeiden, doch würde man im Umkehrschluss wollen, dass die Kinder nicht wachsen, dass sie sich nicht entfalten, dass sie nicht erwachsen werden, um jeglichen Schmerz von ihnen fernhalten zu können?

 

Hier versteht man, dass die Schmerzen ein Zeichen dafür sind, dass sich etwas weiterentwickelt.

 

Wie geht man mit Wachstumsschmerzen um?

Wachstumsschmerzen können richtig weh tun, die Arme und Beine, den Bauch und den Kopf betreffen, aber sie verschwinden auch wieder. In Akutphasen kann man kann der betroffenen Person mit Massagen, Zuwendung und Wärme helfen.

 

So kann man auch sich selbst helfen. Berührung, Zuwendung, Hineinspüren und warme Akzeptanz des eigenen Schmerzes.

Woher kommst du? Was willst du mir sagen? Was hat zu den Schmerzen geführt? Wie kann ich mich bei meinem Körper bedanken dafür, dass er so viel geleistet hat, dass er heute Schmerzen hat? Werden die Schmerzen leichter?

 

Falsche Erwartungen

Wenn es mir guttun soll, darf es keinerlei Schmerz verursachen.

Dieser Gedanke ist weit verbreitet. Im Sporttraining werde ich nicht selten damit konfrontiert.

Wenn ich davon spreche, Muskelkater gehabt zu haben, oder in bestimmten Figuren und Dehnungsübungen Schmerzen zu spüren, sehe ich nicht selten in erstaunte Gesichter: Du?

Die teilnehmenden Personen sind häufig der Meinung, dass der Trainer auch durch die Abwesenheit jeglichen Schmerzes besticht.

Was den teilnehmenden Personen (noch) weh tut, spürt der Trainer gar nicht mehr.

 

Immer wieder muss ich erklären, dass auch ich jedes Training spüre. Dass auch ich merke, ob ich hart trainiert habe, dass auch ich (noch) Muskelkater bekomme und dass auch ich mich durch den Schmerz arbeiten muss.

 

Die Reaktionen sind gemischt. Viele Personen sind enttäuscht, weil sie der Meinung waren, dass man irgendwann Trainingserfolge ohne Schmerz erzielen könnte, andere sind beruhigt, weil sie nun wissen, dass an ihnen nichts falsch ist.

 

Das ist im Sport so, aber auch bei der Entwicklung der sogenannten Soft Skills, also im Seminarbereich.

Hier erkläre ich den teilnehmenden Personen auch, dass die Tatsache, dass ich das Seminar leite, nicht gleichbedeutend damit ist, dass ich alles kann, keine Sorgen und Probleme mehr hätte und für jedes berufliche Problem eine Lösung in petto hätte. Im Gegenteil.

 

Manchmal erscheint jeder Tag als neue Herausforderung. Und man weiß, dass man sich heute wieder blaue Flecken holen wird, obwohl die Flecken des Vortags noch nicht mal verschwunden sind.

 

Leistungspunkte - blaue Flecken - Pain performance

Gerade im Training der akrobatischen Tanzarten Pole Dance und Aerial Hoop wird man immer wieder und immer wieder aufs Neue mit blauen Flecken belohnt.

Belohnt? Ja.

Ich nenne diese Kollateralschäden Leistungspunkte. Sie zeugen davon, dass man bereit war, Druck auszuhalten. Sie sind ein Zeichen dafür, dass man etwas Neues gewagt, seine Komfortzone verlassen hat, dass man den Körper in eine neue Position gebracht hat, die zunächst schmerzhaft war. Sie sind ein Zeichen dafür, dass man an sich glaubt und Kraft hat.

Vielleicht noch nicht so viel Kraft, wie notwendig gewesen wäre, um keine blauen Flecken zu entwickeln, aber man hat sich herangewagt, man hat es sich zugetraut, man ist gewachsen.

 

Hier habe ich durch den oben erwähnten Blog von tanztheorem.de den Begriff „performance pain“ gelernt.

Auch dieser Begriff gefällt mir sehr gut.

 

Hier ist zu lesen:

           „Die zwei Arten von Schmerzen im Training

Schmerz ist nicht gleich Schmerz und hat auch unterschiedliche Ursprünge und Auswirkungen.  Grundsätzlich gibt es zwei Hauptarten von Trainingsschmerz:

  1. Schmerz durch intensive Beanspruchung des Körpers
  2. Schmerz auf Grund von Verletzungen

 Wenn wir unseren Körper bei einer anspruchsvollen Trainingseinheit oder während einer Performance    sehr intensiven Belastungen ausgesetzt haben, dann fühlen wir im Anschluss oft einen dumpfen, reibenden Schmerz. Dieser ist ganz normal und wird oft auch als positiv angesehen, weil er uns zeigt, welche hohen Leistungen wir erbracht haben. Dieser Schmerz wird oft auch Leistungsschmerz oder performance pain genannt. In der Regel legt sich die Steifheit und Anspannung der Muskeln schnell  wieder."


Training bedeutet, etwas zu tun, um weiterzukommen. Training bedeutet Wiederholung. Training und Performance bedeutet, viel bis alles zu geben. Ganz gleich, ob man den Fokus auf den Sportbereich oder den Bereich der Unternehmensentwicklung legt.

 

Ist dann jeder Schmerz gut? Nein, auch das kann man oben lesen.

Es macht einen Unterschied, ob wir verletzt sind, verletzt wurden oder ob der Körper „Nachwehen“ hat, weil er gerade etwas Großes hervorgebracht hat.

 

Schmerz als Stoppschild

Hindert mich der Schmerz daran, meinen Alltag zu bewältigen, verschwindet der Schmerz nicht und lässt nicht nach, wird er in seiner Intensität immer schlimmer und sucht man nach Betäubungsmitteln jeglicher Art (Ablenkung, Sucht- oder Schmerzmittel), handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um „performance pain“ oder Leistungsschmerz, auch nicht um Wachstumsschmerzen.

 

Um zu erkennen, um welche Art von Schmerzen es sich handelt, muss man sich den Schmerz betrachten. Er ruft zu uns, er möchte mit uns sprechen, er möchte uns etwas sagen.

Es ist ein Akt der Wertschätzung dem eigenen Körper gegenüber, dies nicht zu ignorieren.

Unser Körper kann uns nicht wegen Mobbing verklagen, doch ihn an der Kommunikation zu hindern, bzw. seine Aussagen zu ignorieren ist eine Form von Mobbing.

 

Wer Schmerzen hat, verändert sich. Nicht immer zum Schlechten.

Schmerzen sind nicht automatisch ein Zeichen von Versagen oder Schwäche. Schmerzen sind einfach nur da. Und dann sehen wir sie uns an.

 

Prana - Atem - Lebensenergie - Wir bedanken uns

Das mag ich persönlich so sehr am Yoga. Yoga lehrt auch, Dinge einfach anzunehmen, statt sie sofort zu beurteilen, oder sogar zu verurteilen.

Das ist vor allem zu Beginn nicht leicht. Der Fuß schmerzt, der Körper sagt Nein, entspannend scheint so gar nichts zu sein und währenddessen soll man auch noch ruhig und gleichmäßig atmen, um den Körper mit Prana = Lebensenergie zu versorgen.

 

Unmöglich. Ungeduld und Unzufriedenheit können sich einstellen. Es tut weh, man ist nicht entspannt und überhaupt scheint es jeder hier im Raum sowieso besser zu können. Yoga ist nichts für mich.

 

Das wäre in etwa so, wie wenn man sagen würde: Ich bin nichts für mich!

Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich ist es Geschmackssache, ob man Yoga mag oder nicht.

Mir geht es um den Gedanken, der dahintersteckt.

 

Die liebevolle Akzeptanz dessen, dass nicht immer alles rund läuft. Das Annehmen der vermeintlichen eigenen Unzulänglichkeiten gepaart mit der ruhigen Gewissheit, dass man die Kraft hat, es zu verändern, wenn man es will.

 

Der Atem spielt hierbei eine wichtige Rolle und wird auch im zitierten Blog erwähnt.

Im Yoga ist der Atem gleichbedeutend mit der Lebensenergie.
Wie ein ruhiger Fluss fließt diese Energie in uns hinein, durch uns durch und versorgt den ganzen Körper. Den Körper, der im Moment meckert und jammert, weil „alles“ weh tut.

Die Atmung als Mutter/ Vater, der das jammernde Kind in den Arm nimmt und es beruhigt, dem Kind gibt, was es im Moment braucht, damit es sich weiterentwickeln kann, damit es wachsen kann.

 

Im Blog wird die Rolle der Atmung wie folgt beschrieben:

 

„Performance pain durch hohe körperliche Belastung versursacht Muskelverspannungen. Dies blockiert unsere Bewegungen und senkt die Motivation und das Selbstvertrauen im Training. Dieser Schmerz lenkt uns auch davon ab, dem Techniktraining zu folgen und führt zu Ermüdung.

Eine Strategie, diesem Schmerz entgegenzuwirken, ist die tiefe Atmung. Studien belegen den Zusammenhang zwischen Atmung, physiologischer Veränderung und Schmerzempfinden. Der Schmerz blockiert die Atmung, was zu einem verschlechterten Blutfluss im Körper führt. Die Sauerstoffversorgung ist beeinträchtigt und führt zu Muskelverspannungen. Das löst weiteren Schmerz aus.

Eine tiefe Atmung steigert die Sauerstoffversorgung im Blut und regt den Parasympathikus an. Dieser ist Teil unseres vegetativen Nervensystems, lenkt die Regeneration des Gewebes und ist für Entspannung und Ruhe verantwortlich. Die Muskeln entspannen sich und gleichzeitig lösen sich Ängste und negative Gefühle. Eine bewusste Konzentration auf die Atmung lenkt vom Schmerz ab und hilft, den Fokus zu verschieben. „

 

Den Fokus verschieben auf das, was uns im und durch den Schmerz hilft. Den Körper wahr- und annehmen. Seine Ausbrüche und Verhaltensweisen nicht verurteilen, sondern ihnen mit Liebe begegnen.

 

Und so gefällt mir auch das Ende einer Yoga-Stunde so wahnsinnig gut: „Wir bedanken uns bei uns, bei der Leistung unseres Körpers und bei allem im Raum anwesenden Wesen mit einer Verbeugung und einem „Namaste“.“

 

Danke sagen, obwohl etwas schmerzhaft ist oder war. Danke, weil man gelernt hat zwischen Wachstums- und Verletzungsschmerzen zu unterscheiden.

 

 

Rebel-Management-Training BLOG

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