Nadine Rebel
Diese Frage stellt häufig die Eröffnungszeremonie für einen Tanz der Gefühle dar. Unwissenheit, Überforderung, Scham, Hektik, Stress, Vorfreude. Meist kann man die Frage in dem Moment, in dem sie gestellt wird, nicht beantworten oder die Dinge, die man sich wirklich wünscht, sind so fernab der Realität, dass sie die Person, die die Frage stellt, nicht erfüllen kann. Weltfrieden. Ja, Weltfrieden und Liebe überall, das wäre schön.
Zeit des Wünschens
Ich brauche nichts. Ich habe doch alles.
Auch wenn die Zeiten sich geändert haben, so trifft dies im Grunde doch noch zu, zumindest auf einige Personen. Die Frage, die sich stellt, ist dabei auch, wie man „brauchen“ definiert. Und meist besorgt man sich das, was man braucht, schon im Laufe des Jahres selbst. Oder man braucht es für die berufliche Tätigkeit und bezahlt es über das Geschäftskonto oder bekommt es von der Arbeitsstelle gestellt.
Damit fällt Vieles weg, was man der anderen Person schenken könnte. Allerdings lautete die Frage, was man sich wünschen würde. Je älter man wird, umso schwerer sind die Wünsche zu erfüllen. Als Kind war es vielleicht ein heißersehntes Spielzeug, als Erwachsener wünscht man sich, keine Sorgen mehr zu haben und gesund zu bleiben und Weltfrieden. Weltfrieden wäre toll.
Zeit der Ruhe
Vielleicht sollte man die Frage, was man sich wünschen würde, gar nicht so einfach vom Tisch wischen. Ein bisschen erinnert mich das an Aurin, das Amulett aus der „unendlichen Geschichte“ auf dem zu lesen war: „Tu, was Du willst!“
Schnell als legitime Zügel- und Regellosigkeit verstanden, scheint es eine Aufforderung zu sein, sich schlicht hemmungslos zu benehmen, ohne Angst vor Konsequenzen, ohne Strafe und ohne Folgen.
Wer die Amulettinschrift so interpretierte, verlor sein Gedächtnis und somit war ihm der Weg zurück in die eigentliche, die eigene Welt verwehrt.
Tiefgründig sollte der Satz auf dem Amulett allerdings dahingehend verstanden werden, dass man sich seines tiefsten Herzenswunsches bewusstwerden solle. Man solle das tun, was man wirklich wolle.
So kann man auch die Frage „Was wünschst Du Dir zu Weihnachten?“ verstehen.
Ich bleibe dabei: Keine Existenzsorgen, Gesundheit, Glück und Liebe für unsere Familie und unsere Kinder und Weltfrieden.
Nichts schenken
Um dem Geschenkestress zu entgehen, haben sich viele Menschen eine neue Philosophie zurechtgelegt. Es wird gar nichts mehr geschenkt. Gut, die Kinder, sofern sie noch klein genug sind, bekommen etwas, weil das eben dazugehört, aber die Paare, die Erwachsenen in der Familie, die schenken sich nichts.
Auch hier fiel mir die Doppeldeutigkeit auf. Man schenkt sich nichts.
Da schenken sie sich nichts.
Ein Satz, der häufig fällt, wenn man beschreiben will, wer in einer Beziehung mehr schlechte Eigenschaften hat.
Man hat nichts zu verschenken.
In diesem Satz schwingt eine gewisse Bitterkeit mit. Er kann aber auch so verstanden werden, dass man nichts hergeben möchte, dass man nicht teilen will.
Man kriegt doch nichts geschenkt.
Hier wird man förmlich von der nüchternen und mehr als abgeklärten Sichtweise erschlagen. Die Einstellung, dass alles (Gute) im Leben bezahlt werden muss. Man erwartet nichts und bekommt davon viel.
Viel schenken
Schenken ist eine Sache der Freude, der Liebe, der Ausdruck der Zuneigung und Dankbarkeit. Das kostbarste Geschenk ist Zeit, denn sie ist unwiederbringlich.
Allerdings muss die Zeit auch wertgeschätzt werden, sonst kann sie kein Geschenk sein.
Ich habe in meinem Leben viel verschenkt.
Schon wieder eine gewisse Bitterkeit, die man aus diesen Zeilen meint, herauslesen zu können.
Ein wehmütiger Blick zurück, ein Bedauern, Vieles hergegeben zu haben, was man auch hätte verkaufen können, Dinge und Verhaltensweisen, Leistungen, die man sich hätte bezahlen lassen können.
Zu wenig schenken
Und wenn man ein Geschenk macht, welches die andere Person nicht wertschätzen kann? Wenn das, was man schenken möchte, zu geringwertig ist? Wenn man nicht weiß, was der Andere will, oder braucht oder wenn man sich zu arm fühlt, als dass man einer Person, die so viel mehr hat als man selbst, überhaupt eine Freude machen könnte?
Herzensgeschenke sind immer kostbar, aber dafür muss der andere sehen, dass es ein Herzensgeschenk ist.
Schenken ist also immer aufeinander bezogen. Man kann niemand eine Freude machen, der keine Freude erleben will. Aber auch kleine Wünsche bleiben unerfüllt, wenn man sie nicht ausspricht. Manchmal bleiben sie auch ausgesprochen unerfüllt, obwohl es vielleicht nur ein Gefallen gewesen wäre, der den anderen nichts gekostet hätte als Zeit. Da Zeit allerdings, wie oben beschrieben, das kostbarste Gut ist, ist der andere allem Anschein nach eben nicht gewillt, Zeit für mich zu geben, weil er diese Zeit als Opfer betrachten würde.
Oder der Gringe sein
Und weil man das ganze Jahr über schon viel zu viel Sorgen und Stress hat, scheint es ein Leichtes, sich einfach aus der Affäre zu ziehen. Dann fängt man an, Weihnachten zu hassen, weil es sowieso nur Kommerz ist und alle Leute in Hektik verfallen, um ein Fest zu feiern, bei dem sie vielleicht nicht einmal den Anlass kennen. So ein Nonsens. Am besten auf alles verzichten. Nicht feiern, nicht wünschen, nicht schenken. Problem gelöst.
Ich liebe die Weihnachtszeit
Ja, die Weihnachtszeit ist selten ruhig. Meist sind die Ansprüche an sich, die Zeit und die Mitmenschen so groß, dass Stress, Hektik und Streit vorprogrammiert zu sein scheinen. Aber es ist auch eine Zeit, in der mir jedes Jahr klar wird, dass ich wieder ein Jahr geschafft habe, dass ich wieder mit meiner Familie feiern kann, dass wir immer noch ein Dach über dem Kopf haben und dass wir selbst Licht ins Dunkel bringen können. Mit Kerzen, mit Lichterketten, mit Liebe. Und ich schenke gerne, auch wenn ich den Stress, den die Fragen und die Wunscherfüllung mit sich bringen, kenne.
Dennoch: Der Zauber von Weihnachten und der Adventszeit bleibt.