Nadine Rebel
Vor vielen Jahren war meine Mutter mit einem Bekannten bei uns zu Besuch. Es war Sommer. Wir wollten uns auf die Terrasse setzen. Dort wurde auch gedeckt. Dort standen auch die Aschenbecher. Wie selbstverständlich zündete sich der Bekannte in unserer Küche stehend eine Zigarette an. Baff erstaunt brachte ich überhaupt kein Wort heraus, während mein Mann bestimmt zu ihm sagte, bei uns würde nur draußen geraucht. Der Bekannte blieb stehen, grinste und meinte: „Und, wer hält sich daran?“
Dieses Ereignis habe ich bis heute nicht vergessen, weil es gelebtes schlechtes Benehmen gepaart mit mangelndem Respekt war.
Andere Länder
. . . andere Sitten – sagt man. Wenn es mir nicht gefällt, dass es ein Katzencafé gibt, weil ich keine Katzen mag, dann gehe ich dort nicht hin. Wenn ich gerne Schnitzel mit Pommes essen möchte, dann suche ich kein vegetarisches Restaurant auf und wenn ich mit den Sitten und Gebräuchen von Ländern, bei denen ich nicht gezwungen werde, diese aufzusuchen, nicht klarkomme, dann fahre ich dort nicht hin.
Tolerante Übergriffigkeit
Menschenrechte sollten überall gleichermaßen gelten. Das tun sie nicht und das ist – gelinde gesagt – sehr bedauerlich. Es ist per se gut, sich dafür einzusetzen, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten. Am besten fängt man dabei bei sich selbst, vor der eigenen Haustür und im eigenen Land an. Wer nun welche Entgleisung und welchen Verstoß für wie böse und falsch erachtet, ist wiederum individuell unterschiedlich. Wie immer scheint es allerdings leichter, den Splitter im Auge des anderen zu sehen, während man ein ganzes Brett vor dem Kopf hat.
Das soll nicht bedeuten, dass ich Splitter in den Augen für gut erachten würde.
Individuelle Kritik
Wenn ich um Feedback bitte, um Rat frage, mir die Meinung einer anderen Person wichtig ist und mir dann nicht schmeckt, was die Person mir sagt, so habe ich ein Problem. Wenn ich ungefragt jemandem meine Meinung aufzwinge und ihn in seinem Verhalten kritisiere, seine Art zu leben nicht teilen und auch nicht respektieren möchte, so sollte ich den Kontakt mit diesen Personen meiden. Mich von diesen Personen einladen zu lassen, um ihnen dann zu sagen wie ekelhaft ich sie finde und mir ungefragt in der Küche eine Zigarette anzuzünden, zeugt mindestens von mangelndem Anstand und leider auch von mangelnder Empathie und ebenso von fehlender Toleranz. Man könnte auch sagen, dass das Verhalten schlicht unverschämt ist.
Retter der Welt
Eine Person wird eingeladen. Die Gastgeber sind ein Paar, von welchem bekannt ist, dass der eine den anderen (m, w, d) misshandelt. Die eingeladene Person nimmt die Einladung an, bringt sogar noch Geschenke mit und holt dann zum Standpaukenrundumschlag aus. Ohne gefragt worden zu sein, teilt sie den Personen mit, wie abstoßend und falsch sie ihr Verhalten findet und dass sich dies ab sofort ändern muss.
Würde ein solches Verhalten zum Ziel führen? Wohl eher nicht.
Um es deutlich zu machen: Es ist falsch, wenn eine Person eine andere misshandelt. Es muss alles dafür getan werden, dass dies aufhört und dass alle Menschen mit dem gleichen Respekt behandelt werden. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass das oben beschriebene Verhalten seinen Teil dazu beitragen wird, die Missstände zu beseitigen.
Vielmehr ist es eine zur Schau gestellte Überheblichkeit, die davon zeugt, dass man selbst weder Respekt noch Anstand hat, gerne aber den Beifall der umstehenden für sich einheimsen möchte, weil man doch so ein guter Mensch ist, der ungefragt für die Menschen kämpft, die ihn nicht darum gebeten haben.
Eigenes Land, keine Sitten
Und selbst wenn man für sich selbst entschieden hat, dass sich jeder, der den eigenen Wohnraum betritt, sich so benehmen darf, wie er, sie oder es das möchte, so kann man dies nicht umgekehrt von anderen verlangen. Und wennman für den eigenen Wohnraum entschieden hat, jedes Verhalten von Gästen zu dulden und zu begrüßen, so wäre es zumindest nett gewesen, wenn man die Familie gefragt hätte, ob ihr das auch recht sei.
Eigentlich einfach
Eigentlich wollte ich dazu gar nicht sagen, jetzt habe ich es doch in Worte gefasst. Um es am Ende nochmals klarzumachen, damit es nicht (wieder) falsch verstanden wird.
Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch grundsätzlich den gleichen Wert hat.
Ich bin der Meinung, dass niemand diskriminiert werden sollte.
Ich bin der Meinung, dass man Missstände benennen sollte, überall.
Ich bin der Meinung, dass Geradlinigkeit bei sich selbst anfängt.
Ich bin der Meinung, dass Regeln für alle gelten sollten.
Ich kann nicht von anderen verlangen, was ich selbst nicht zu geben bereit bin.
Anderen Personen den eigenen Geschmack, den eigenen Willen aufzwingen zu wollen ist für mich kein Zeichen von Mut, sondern ein Zeichen von mangelndem Anstand.
Wenn ich mit Personen, die meine Werte nicht teilen oder sich diametral zu diesen verhalten, nichts zu tun haben möchte, dann sollte ich den Kontakt meiden.