Nadine Rebel
Im Grunde habe ich resigniert. Die letzten Jahre haben mir gezeigt, dass Kommunikation einseitig ist und das Vieles möglich war, was man nie für möglich hielt. Ich bin leise geworden. Nicht, weil ich mich mit der Politik versöhnt hätte, sondern weil ich das Vertrauen komplett verloren habe. Wer die Götter im Politikolymp kritisiert, muss mit Sisyphus-Strafen rechnen. Egal, wie sehr man sich auch abmüht, gehört man nicht zur Elite, wird es nicht von Erfolg gekrönt sein. Und für das einfache Volk macht sich nun einfach niemand die Hände schmutzig, denn das ist Populismus.
Tantalus
Dem Menschen Tantalus wurde die Ehre zuteil, ab und an mit den Göttern dinieren zu dürfen. Anstatt sich darüber zu freuen, auserwählt worden zu sein, verriet er Seinesgleichen, über was sich die Götter bei Tisch zu unterhalten pflegten. Zu allem Überfluss stahl er den Göttern auch noch Essen, welches für Götter, nicht für Menschen bestimmt war. Und weil man über solche Straftaten noch geteilter Meinung hätte sein können, demnach die Wahrscheinlichkeit bestand, dass man fälschlicherweise Partei für Tantalus ergreifen könnte, wurde ihm zudem nachgesagt, er habe den Sohn des Pelops getötet und das Fleisch den Göttern zum Mahl vorgesetzt, um die Götter zu testen. Das geht zu weit. So darf man sich nicht aufführen, wenn man irgendwo eingeladen ist. Also eigentlich. Also damals, zu Zeiten der griechischen Götter.
Das musste bestraft werden.
Und weil er zu Lebzeiten auf Erden und bei seinen Einladungen in den Olymp nicht zu schätzen wusste, was es bedeutet, edel speisen zu dürfen, wurde er in die Unterwelt geschickt, in einen Fluss voll herrlichen klaren Wassers gestellt, während über ihm die süßesten Früchte hingen.
Mitten in all diesem Überfluss litt er Hunger und Durst und konnte diese Bedürfnisse doch nie stillen, denn das Wasser wich ebenso zurück wie die Äste voller Früchte, sobald er sich danach ausstreckte.
Sisyphus
Sisyphus war auch so ein Störenfried. Unter anderem wollte er nicht sterben und hat zweimal mit List und Gewalt den Tod überlistet. Und er ließ andere an seinem Wissen teilhaben, so dass eine Zeit lang niemand mehr starb, zumindest nicht in der Menge, die von den Göttern vorgesehen worden war. Die Götter empfanden dies als Anmaßung, als Überschreiten der den Menschen zugestandenen Kompetenzen, als Frechheit und Arroganz und natürlich als Provokation.
Die Menschen haben die Götter weder in Frage zu stellen noch geheimes Wissen zu teilen noch diese zu kritisieren oder die von den Göttern vorgegebenen Richtlinien zu ignorieren.
Dieses Verhalten musste also ebenso bestraft werden.
Zur Strafe musste Sisyphus nun ein Leben lang arbeiten, ohne Aussicht auf Erfolg und ohne ein absehbares Ende. Immer, wenn er der Meinung war, dass er seine Aufgabe geschafft hatte, wurde diese zunichte gemacht. Er rollte also unter Anstrengung einen großen Fels einen Berg hinauf, nur um zusehen zu können, wie dieser den Hügel wieder hinabrollte, sobald Sisyphus mit dem Fels oben angekommen war.
Der Olymp
Die Götter waren früher wirklich grausam. Und sie hielten auch nichts davon, eine Höchstdauer der Strafe festzulegen. Bis in alle Ewigkeit mussten die Büßer in ihren Strafen ausharren, es gab keine Gnade und keine Erlösung.
Das wäre ja, wie wenn man nie einen Erfolg der Arbeit sehen könnte.
Das wäre so, als ob man sich ein Leben lang anstrengt, um dann festzustellen, dass es am Ende doch nicht reicht.
Wenn das heute noch so wäre, dann müsste man ja Angst haben, die Götter zu kritisieren, denn dann müsste man Repressalien und Strafen fürchten.
Wenn beispielsweise eine Person böse Geheimnisse verraten und dafür ohne Aussicht auf Freiheit eingesperrt werden würde, das wäre wirklich furchtbar.
Man stelle sich vor, man würde heute beispielsweise der Politik gegenüber Kritik äußern und dafür diffamiert werden oder sogar eine Strafe fürchten müssen.
Wie gut, dass es keine Götter mit Allmacht oder Allmachtsphantasien mehr gibt, sondern heute eine den Bürger wertschätzende Demokratie gelebt wird.
Populismus
Nun gut, ein wenig könnte einen, wenn man beschränkten Geistes ist, schon der Gedanke beschleichen, dass man sich nur dann alles erlauben kann, wenn man zur Elite gehört. Ist man einfach und niedrig gestellt, sollte man aufpassen, wann, wo und wie man den Mund aufmacht.
Das ist so ein „herrschende Klasse-beherrschtes Volk-Ding“. Ist aber nur ein Gefühl, stimmt so nicht. Darüber sollte man sich keine Gedanken machen.
So ist das auch mit dem Wort „Populismus“. Die Definition lautet zwar, dass Populismus eine politische Bewegung sei, die die Interessen, kulturellen Wesenszüge und spontanen Empfindungen der einfachen Bevölkerung, im Gegensatz zu der einer privilegierten Elite hervorhebt, aber sind wir doch mal ehrlich:
Wer möchte denn die gute Kinderstube, die Manieren, die Contenance und Zurückhaltung vergessen und sich durch ein solches Gebaren und Denken freiwillig als der einfachen Bevölkerung zugehörig identifizieren?
Mon Dieu - wo kämen wir denn da hin?
Gut, Volk heißt auf Englisch „people“ und die Definition stammt aus der Encyclopedia of Democracy, aber das darf man nicht so ernst nehmen. Man muss nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, zumal sich sowieso die Frage stellt, ob man als Mitglied der einfachen Bevölkerung eine Waage geschweige denn Gold hat.
Also! Ist gut jetzt, ja?
Image
Image ist heutzutage wichtig. Image heißt auf Deutsch Bild. Da es „das“ Bild heißt, muss es nicht gegendert werden. Das Image muss dabei nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen, es ist kein Spiegelbild, sondern etwas, was man sich in der eigenen Vorstellung zusammenzimmert und -reimt.
Damit das so zusammengereimte Image den Vorstellungen derer entspricht, die das Image für sich entwerfen wollen, liefern sie dafür die Zutaten (Farben und Pinsel) und teilweise auch schon die Bildvorlagen. Malen nach Zahlen im Kopf.
Deswegen ist es wichtig, dass vor allem das Image stimmt. Es ist nicht so wichtig, dass das kreierte Image den Härtetest der Wirklichkeit besteht. Dafür ist Image nicht gemacht.
So erklärt, macht alles Sinn
Wenn man sich die Zeit genommen hat, dies alles Stück für Stück nachzuvollziehen, dann versteht man auch die Erklärungen, die seitens des ÖRR gegeben werden.
Extra für Bürger und Bürgerinnen (m, w, d), die sich unter Umständen aufgrund der jetzigen Situation Sorgen machen, wurde jenen Bürgenden erklärt, dass diese bösen Stimmen in der Politik eben nur Populismus wären, dass es zurzeit nur ein Problem gäbe, nämlich die Heizung, dass es dieses Problem nicht gibt, weil es einfach aufgeschoben wurde und dass es wichtig ist, sich das Image einer Partei anzusehen, nicht die Ergebnisse.
Ah, okay! Ja klar.
Alles ist gut, solange du still bist
Und wenn man das dann verstanden hat, dann kann man resignieren oder zur schweigenden Mehrheit gehören. Letztlich ist es egal, Hauptsache man muckt nicht auf.
Und deswegen nochmals in Kürze zusammengefasst:
Populismus ist deswegen böse, weil er die Bedürfnisse des einfachen Volkes thematisiert und diesen eine Bühne gibt. Man darf, dass haben schon die Götter gezeigt, den Menschen nicht so viel Freiheit und Rechte einräumen, sonst werden sie aufmüpfig.
Solange die Elite zufrieden ist, muss man sich nicht um das Volk kümmern. Deswegen ist Populismus schlecht und stellt für die Demokratie eine Gefahr dar.
Image ist das Bild, welches gemalt wird und mittels der Werbebroschüren, der Wahlplakate und Programme unter das Volk gebracht wird. Das Volk, welches - siehe oben - sowieso nicht den Mund aufmachen soll.
Und beim Image ist es wie bei der Kunst. Wenn eine Person sagt, dass sie ein Kunstwerk nicht mag, dann gesteht sie damit nur ihre eigene Borniertheit und mangelnde Bildung ein, weil sie die Kunst aufgrund ihres beschränkten Geistes nicht versteht. Wo kämen wir denn dahin, wenn ein Kunstkonsument mit dem Bild des Künstlers, also mit dem Image (wir erinnern uns: Image = Bild) nicht einverstanden wäre?